20070308

KÄFIGE & MAUERN zt-08

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Die Entwicklung zu größerer Selbstkontrolle des Menschen.

Nach Norbert Elias war erhöhte Affektkontrolle notwendig, um das geozentristische Weltbild zu überwinden.

Das heliozentrische war aber emotional zunächst einmal weniger befriedigend, denn es versetzte die Menschen aus ihrer Position im Zentrum des Weltalls auf einen von vielen Planeten, die um das Zentrum kreisten.

"Der Übergang von einer zentral durch einen herkömmlichen Glauben legitimierten zu einer auf wissenschaftlicher Forschung beruhenden Naturerkenntnis und der Schub in der Richtung größerer Affektkontrollen, den dieser Übergang einschloß, stellte also einen Aspekt des im folgenden von andern Seiten her untersuchten Zivilisationsprozesses dar"(S. LIX).

Es ist nicht wenig charakteristisch für diese Stufe des Selbstbewußtseins, dass manfrau sich in den klassischen Erkenntnistheorien, die sie repräsentiert, weitaus mehr mit der Problematik des erkenntnistheoretischen Objekts als mit der des erkenntnistheoretischen Subjekts selbst, mehr mit der Gegenstandserkenntnis als mit der Selbsterkenntnis befasste.

Die Menschen können sich auf dieser Stufe (geozentrisches Weltbild) noch nicht genug von sich selbst distanzieren, um auch die eigene Selbstdistanzierung, die eigene Affektzurückhaltung zum Gegenstand der Erkenntnis, zum Objekt der Forschung zu machen .

Die Distanzierung des Denkenden von seinen Objekten im Akt des erkennenden Denkens und die Affektzurückhaltung, die sie erforderte stellt nicht als solche einen Akt der Distanzierung dar, sondern eine tatsächliche Distanz, als ein ewiger Zustand der räumlichen Trennung eines scheinbar im Inneren verborgenen Denkapparates, eines 'Verstandes', einer 'Vernunft', die durch unsichtbare Mauern von den Objekten 'draußen' abgetrennt ist.

Der Akt des gedanklichen Abstandnehmens von den Objekten des Nachdenkens stellt sich in der Selbsterfahrung auf dieser Stufe als ein tatsächlich existierender Abstand des Denkenden von den Objekten seines Denkens dar.

Die stärkere Zurückhaltung affektgeladener Impulse gegenüber den Gegenständen des Denkens und Beobachtens stellt sich in der Selbsterfahrung der Menschen als tatsächlich existierender Käfig dar, der das 'Selbst', das 'Ich', die 'Vernunft' und 'Existenz' von der Welt 'außerhalb' des Individuums ab- und ausschließt (S. LXI).

Die Entwicklung der Vorstellung des Umlaufs der Erde um die Sonne förderte zugleich eine Entwicklung der Menschen selbst in der Richtung erhöhter emotionaler Kontrolle, zu gesteigerter Zurückhaltung ihres spontanen Gefühls, zur Selbstdistanzierung die es ihnen ermöglichte das Naturgeschehen gedanklich als einen eigen gesetzlichen Zusammenhang zu verarbeiten, ohne einen Zweck für sie selbst, rein kausal mechanisch suchen zu müssen.

Die Verwandlung zwischenmenschlicher Fremdzwänge in einzelmenschliche Selbstzwänge führt dazu, dass viele Affektimpulse weniger spontan auslebbar sind. Die derart im Zusammenleben erzeugten selbsttätigen individuellen Selbstkontrollen, etwa das 'rationale Denken' oder das 'moralische Gewissen', schieben sich nun stärker und fester gebaut als je zuvor zwischen Trieb- und Gefühlsimpulse und Skelettmuskeln.

Das ist der Kern der individuellen Strukturveränderung und der individuellen Struktureigentümlichkeiten die etwa von der Renaissance an ihren Ausdruck in der Vorstellung vom eigenen 'Ich', als verschlossenem Gehäuse findet (S. LXI).

Dieses 'Ich' durch eine unsichtbare Mauer abgetrennt von dem was 'draußen' ist.

Es sind die zum Teil automatisch funktionierenden zivilisatorischen Selbstkontrollen die in der individuellen Selbsterfahrung nun als Mauer, sei es zwischen 'Subjekt' und 'Objekt', sei es zwischen dem eigenen 'Selbst' und den anderen Menschen, der 'Gesellschaft', erfahren werden (LXII).

Was gibt nun eigentlich zu dieser Vorstellung eines 'Inneren' des Einzelmenschen Anlass, was ist die Kapsel, was ist das Abgekapselte?

Die festere, allseitiger und eben mäßigere Zurückhaltung der Affekte, die für diese Zivilisation charakteristisch ist, die verstärkten Selbstzwänge, die alle spontaneren Impulse daran hindern, sich direkt ohne Dazwischentreten von Kontrollapparaturen, motorisch in Handlungen auszugeben und auszuleben, sind das was als Kapsel, als unsichtbare Mauer erlebt wird.

Zurückhaltungen und Selbstzwänge trennen die 'Innenwelt' von der 'Außenwelt' oder je nachdem auch das Subjekt der Erkenntnis von den Objekten, weiters das Ego von dem 'Anderen' und das 'Individuum' von der 'Gesellschaft'.

Das Abgekapselte sind die zurückgehaltenen, am unmittelbaren Zugang zu den motorischen Apparaturen verhinderten Trieb- und Affektimpulse der Menschen.

Das vor anderen Verborgene, das eigentliche Selbst, der Kern der Individualität. Das 'Innere des Menschen' ist eine Metapher die in die Irre führt (S. LXIII).

Das Hirn ist im Schädel, das Herz im Brustkorb, aber wenn man die gleichen Redewendungen auf Persönlichkeitsstrukturen bezieht, sind sie nicht am Platze. Persönlichkeitsstrukturen haben nicht die Gestalt eines Gefäßes.

Es gibt Gedankenrichtungen, die Kontrollapparaten wie etwa Gewissen oder Ratio, oder andere die Trieb- und Gefühlsregungen für wichtiger halten.

Genau betrachtet handelt es sich bei dem ganzen Komplex der Spannungsachsen, wie Fühlen und Denken, Triebverhalten, Kontrollverhalten um Tätigkeiten des Menschen.

Wenn manfrau statt der üblichen Substanzbegriffe also statt Gefühl, Verstand, Vernunft, Tätigkeitsbegriffe gebraucht, lässt es sich verstehen, dass das Innen-Außen-Bild nicht auf die Struktur der Persönlichkeit anwendbar ist.

Auf dieser Ebene gibt es nichts, was einem Behälter ähnelt.

Dem Gefühl einer Mauer entspricht nichts am Menschen, das den Charakter einer wirklichen Mauer hat.

Goethe gab dem Gedanken Ausdruck: die Natur habe weder Kern noch Schale, es gebe in ihr kein Drinnen und kein Draußen. Elias: Das gilt auch von den Menschen. (transitenator: Das gilt nicht für Äpfel, Nüsse und Bananen. Aber Menschen sind natürlich keine Nüsse und die Menschen auf der Erde sind bald unter der Erde und etwas später sind sie selber Erde :-)

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