20070307

THEORIE als WÜNSCHELRUTE zt-06

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Ein Beispiel: Kritik von Elias an Parsons Begriff des 'sozialen Systems'.
Nach Parsons ist 'ein soziales System' eine Gesellschaft im Gleichgewicht. Gesellschaft ist normalerweise im Zustand der Ruhe. Alle zugehörigen Individuen sind durch die gleiche Art der Sozialisierung auf die gleichen Normen abgestimmt. Alle sind normalerweise wohl integriert, folgen in ihren Handlungen den gleichen Werten, füllen die Rollen aus und Konflikte kommen normalerweise nicht vor.

Dieses Gesellschaftsbild enthüllt sich als Idealbild einer Nation. So ein 'System' ist eine Konstruktion, die von einem als demokratisch gedachten Nationalstaat abstrahiert ist. Hier verschwimmt die Unterscheidung zwischen dem, was eine Nation ist, und dem was eine Nation sein soll.

Das was man wünscht, wird mit sachlichen Beobachtungen unter mischt und als Tatsache hingestellt zu einem Gemisch von Sein und Sollen, von Sachanalysen und normativen Postulaten (S. XLI). Dieses Kernstück einer wissenschaftlichen Theorie erhebt den Anspruch, als Modell für die wissenschaftliche Erforschung von Gesellschaften aller Zeiten und Räume zu dienen.

Man frage sich wie weit solche Theorien sich auf Gesellschaften anderer Entwicklungsstufen beziehen lassen. Dieses Modell ist gegenwartszentriert. Das lässt sich auch für Begriffe wie, Struktur, Funktion, Norm, Integration, Rolle aufzeigen. Sie alle stellen in ihrer Form eine gedankliche Verwandlung von Aspekten menschlicher Gesellschaften, nämlich eine Abstraktion des Prozesscharakters dar.

Das ist nicht einfach der Ausdruck einer Kritik ideologischer Aspekte im Namen eines wissenschaftlichen Bemühens, sondern vor allem Ausdruck der Kritik früherer Ideale. Diese Ablösung der einen Ideologie durch eine andere erklärt die Infragestellung des soziologischen Entwicklungskonzeptes des 19. Jhs. und nicht nur das, sondern sie stellt die Beschäftigung mit langfristigen Gesellschaftsentwicklungen der Soziogenese überhaupt in Frage. (Das Kind wird mit dem Wasser ausgeschüttet). (S. XLII).

Die Untersuchungen von Elias sollen auf die Möglichkeit hinweisen, das Studium der Gesellschaft aus der Knechtschaft der gesellschaftlichen Ideologien zu befreien.

Manfrau verstärkt die Brauchbarkeit der soziologischen Forschungsarbeit als Werkzeug der gesellschaftlichen Praxis dadurch, dass man sich bei der Forschung nicht selbst betrügt, in dem man das, was man wünscht oder von dem man denkt, dass es sein soll, von vornherein in die Forschung dessen was ist und war hinein projiziert (S. XLIII).

Um die Blockierung des Denkens zu verstehen genügt es nicht, die Entwicklungslinie des Bildes von Menschen als Gesellschaften zu verstehen sondern muss auch die Entwicklungslinie des Persönlichkeitsbildes im Auge behalten.

Die Aufspaltung des Menschenbildes in ein Bild von den Menschen als Individuen und ein Bild von den Menschen als Gesellschaften hat Wurzeln. Eine davon ist ein charakteristischer Zwiespalt in Werthaltungen und Idealen in allen entwickelten Nationalstaaten mit einer starken liberalen Tradition.

Auf der einen Seite eine Strömung, die die Nation (Gesamtgesellschaft) als höchsten Wert erscheinen lässt; auf der anderen Seite eine Strömung die die 'geschlossene Persönlichkeit', das 'freie Individuum' als höchsten Wert erscheinen lässt.

Manfrau spricht oft von der Freiheit und Unabhängigkeit des Individuums und spricht mit ebensolcher Wärme von der Freiheit und Unabhängigkeit der eigenen Nation. Diese Zwiespältigkeit der Ideale, die inneren Widersprüche des Ethos finden ihren Ausdruck auch in den Theorien der Soziologie.

Manche dieser, nehmen ihren Ausgang im unabhängigen, ganz auf sich gestellten Individuum, andere vom unabhängigen gesellschaftlichen Ganzen als der 'eigentlichen Realität' und Objekt der Wissenschaft. Diesem inneren Zwiespalt der beiden Ideale begegnet man bei Soziologen mit einer konservativ-liberalen Schattierung des nationalen Ideals (Max Weber, Talcott Parsons).


Parsons Vorstellung der Beziehung von Individuum und Gesellschaft, vom einzelnen Handelnden und dem sozialen System, mit einer gegenseitigen Durchdringung, Interpenetration, veranschaulicht, wie stark hier die Vorstellung von einer getrennten Existenz der beiden Perspektiven mitspielt.

Das Ego als Idealbild des frei und unabhängig von anderen existierenden Individuums. In beiden Fällen verwandelt sich unter den Händen des Theoretikers sein Idealbild in ein Faktum.

Im Laufe eines Zivilisationsprozesses verändern sich die Strukturen der einzelnen Menschen in einer bestimmten Richtung.

Das Bild vom Einzelmenschen blockiert das Verständnis langfristiger Prozesse, die Menschen auf der individuellen und auf der gesellschaftlichen Ebene gleichzeitig durchlaufen.

Parsons gebraucht die 'black box' Metapher, die aus dem Werkzeugkasten der Psychologie stammt. Sie besagt im Grunde, dass alles, was sich wissenschaftlich an einem einzelnen Menschen beobachten lässt, sein Verhalten ist.

Manfrau kann beobachten, was der 'schwarze Kasten' tut. Im Kasten ist der 'ghost in the machine' (Gilbert Ryle, 1946).
Das Bild des einzelnen Menschen, geht in der Entwicklung europäischer Gesellschaften auf eine lange Tradition zurück.

In der klassischen Philosophie tritt diese Figur als das erkenntnistheoretische Subjekt auf die Szene. Als homo philosophicus, gewinnt der einzelne Mensch Erkenntnisse über die Welt 'außerhalb' seiner, ganz aus eigener Kraft. Er braucht sie nicht von anderen zu lernen.

Es wird davon abgesehen, dass er als Kind auf die Welt gekommen ist, vom ganzen Prozess vom Kind zum Erwachsenen wird abgesehen. Er macht einfach die Augen auf. Der Prozess -der einzelne Mensch als Prozess im Heranwachsen, die Menschen zusammen als Prozess der Menschheitsentwicklung- wird in Gedanken auf einen Zustand reduziert.

Von diesem Bild des Menschen, vom homo philosophicus, der nie ein Kind war und gleichsam als Erwachsener auf die Welt kam, gibt es keinen Ausweg aus dieser erkenntnistheoretischen Sackgasse, weil man das was sich tatsächlich als Prozess beobachten lässt, beim Denken auf einen Zustand reduziert, auf einen Erkenntnisakt, der sich hier und jetzt abspielt.

Vielmehr leben Individuen von klein an in Interdependenzen mit anderen. Diese Selbsterfahrung ist selbst auf bestimmte Gesellschaften beschränkt und gehört zu den Struktureigentümlichkeiten einer bestimmten Entwicklungsstufe der Zivilisation, einer spezifischen Differenzierung und Individualisierung von Menschenverbänden.

Die Selbsterfahrung des Menschenverbandes in dem manfrau aufgewachsen ist erscheint als selbstverständlich, als normal. Die Vorstellung des Menschen als eines 'homo klausus' bestimmt dann das Bild vom Menschen überhaupt.

Jeder andere Mensch erscheint ebenfalls als ein homo clausus mit Kern und Mauer. Aber was ist die Natur der Mauer, die Kapsel und das Abgekapselte. Der Leib, die Haut?

Das vorgefasste Bild des homo clausus beherrscht in Gesellschaft und Wissenschaft die Szene. Zu seinen Abarten gehört der homo oeconomicus,... homo sociologicus. Die Bilder des 'Einzelmenschen' des Descartes, des Max Webers oder Parsons und vieler anderer Soziologen sind alle aus dem gleichen Holz geschnitzt.

Viele Theoretiker der Soziologie akzeptieren diese Selbsterfahrung und das Einzelmenschenbild unbesehen als Grundlage ihrer Theorien (S. L). Das worauf sich der Begriff des Individuums bezieht, erscheint immer wieder als etwas, das 'außerhalb' der Gesellschaft existiert und der Begriff der Gesellschaft erscheint als etwas, das außerhalb und jenseits der Individuen existiert.

Um diese Sackgasse der Soziologie zu durchbrechen ist es nötig die Unzulänglichkeit beider Vorstellungen deutlich zu machen (S. LI). Das ist schwierig, solange manfrau (als Mensch und Wissenschaftler, Anm. Willi) selber im Gefühl der Abkapselung des Selbst verweilt und obige Begriffe als Zustände bezeichnet.

Die gedankliche Falle öffnet sich nur dann, wenn man sie im Zusammenhang mit empirischen Untersuchungen so weiter entwickelt, dass sich beide Begriffe auf Prozesse beziehen.

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