SPRACHE als STANDESMERKMAL zt-13
Tweet this!Nach dem 30 jährigen Krieg ist Deutschland entvölkert und wirtschaftlich erschöpft. Verglichen mit Frankreich und England ist Deutschland und vor allem das deutsche Bürgertum im 17. u. 18. Jh. arm, der Fernhandel ist verfallen und die Vermögen verstreut.
Was übrig bleibt ist kleinstädtisches Bürgertum mit engem Horizont, das im wesentlichen von der Deckung der lokalen Bedürfnisse lebt.
Leibniz, der einzige höfische Philosoph Deutschlands spricht und schreibt französisch oder lateinisch aber wenig deutsch. Von den Höfen breitet sich das Französische in der Oberschicht des Bürgertums aus.
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Quelle: Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation, Erstmals veröffentlicht 1936, Francke Verlag: 1969 2. Auflage,Suhrkamp:1976 1. Auflage,19. Auflage 1995
Exzerpt: transitenator
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Französisch zu sprechen ist Standesmerkmal aller gehobenen Schichten (S. 11). 1740 spricht Mauvillon vom 'Barbarischen' in der deutschen Sprache. Gelehrte, mittelständische Fürstendiener der verschiedensten Art versuchen zunächst in einer bestimmten geistigen Schicht Modelle für das was deutsch ist zu schaffen und eine deutsche Einheit herzustellen, die in der politischen Sphäre noch nicht verwirklichbar scheint.
1780 beklagt Friedrich der Große noch die geringe und unzulängliche Entwicklung des deutschen Schrifttums und schildert einen "Tiefstand der deutschen Literatur" und geringe Entwicklung der deutschen Wissenschaft als Resultat der Verarmung Deutschlands infolge der dauernden Kriege. Er prophezeit eine Blüte der deutschen Kunst und Wissenschaft, die Deutschland gleichwertig neben die anderen Nationen stellen würde. Hatte er recht?`
1781 entstanden Schillers 'Räuber' und Kants 'Kritik der reinen Vernunft', 1787 Schillers 'Don Carlos' und Goethes 'Iphigenie'. Schon zuvor Goethes Werther und Götz von Berlichingen. Lessing hatte schon den größten Teil seiner Schriften veröffentlicht.
Die deutsche Sprache war schon reich und lebendig geworden aber von alledem erwähnt Friedrich in seiner Schrift nichts. Er sieht es nicht oder misst ihm keine Bedeutung bei. Das einzige Werk das er erwähnt den Götz von Berlichingen, das größte Werk der Sturm und Drangzeit wird von ihm abgekanzelt.
Die geistige Tradition, die aus ihm spricht, ist die in der er aufgewachsen ist, die gemeinsame Tradition der 'guten Gesellschaft' Europas. An deren Geschmack misst er das deutsche Geistesleben und deren Modelle bestimmen sein Urteil. Eine Paradoxie hier liegt darin, dass seine Politik eine preußische und seine Geschmackstradition eine französische (absolutistisch-höfische) war.
Auf der anderen Seite gab es eine deutsch sprechende Intelligenzschicht, die auf die politische Entwicklung ohne jeden Einfluss war, aber aus ihr kamen im wesentlichen die Menschen um derentwillen man Deutschland als das Land der Dichter und Denker bezeichnete. Und von dieser erhielten Begriffe wie 'Bildung' und 'Kultur' ihre spezifisch deutsche Prägung und Richtung (S. 17).
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