20070315

PLAGIAT & GLUTZÜNDEL wt-03

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Hier geht es um das Gleichnis: "Ein Zwerg der auf den Schultern eines Riesen steht, sieht weiter als der Riese selbst." Das Bild hat seine Tücken: Wie gelangt der Zwerg auf die Schultern des Riesen? Schwindelgefühle?

Zum Optimismus hinsichtlich eines kontinuierlichen Anwachsens von Wissen und Erkenntnis gibt das Gleichnis vom Riesen und den Zwergen weniger Anlass, als es zunächst scheint. Von einem geradlinigen Fortschritt kann keine Rede sein (S. 8).

Literatur- und Quellenhinweis am Fuß der Seite.

Mertons Geschichte eines Gleichnisses entpuppt sich als Gleichnis für die Geschichte. In der Wissenschaftstheorie führen nicht Kontinuität und Folgerichtigkeit das Regiment. Das Geschehen verweist nach vorne, nach rückwärts, auf die Seite und ist stets auf dem Absprung. Merton hat ein beharrliches Interesse an Vorwegnahmen, Wiederaufnahmen und Übernahmen, also an Antizipation, Tradition und Plagiat (S.9).

Das Glutzündel-Prinzip

Ein Brief von Newton an Hooke (5.2.1675/76) zeigt soziologische Betrachtung: "Was vor vielen Zeugen getan wird, das geschieht selten aus Interesse an der Wahrheit allein: was sich aber im Privaten zwischen Freunden vollzieht, verdient gewöhnlich eher den Namen der Beratung als den des Wettstreits, & dies wird sich, so hoffe ich, auch zwischen Ihnen und mir erweisen." (S. 32).

Merton sieht Newton und Hooke als Vorläufer.

Merton am 15.9.1959 in einem Vortrag: "Ich möchte darauf hinweisen, dass diese Polemiken oft mehr mit der Allokation der intellektuellen Ressourcen unter den verschiedenen Sparten der Soziologie als mit einem streng formulierten Gegensatz zwischen soziologischen Ideen zu tun haben."... "Da der Konflikt öffentlich ist, gerät er eher zu einem Gefecht um Status als zu einer Suche nach Wahrheit." (S. 33).

Es war Hookes 'Glutzündel'-Brief, der die Flamme von Newtons Inspiration entfachte und ihn lange vor Merton zu der Erkenntnis führte, dass Wissenschaftler, wenn sie ihre Differenzen in die Öffentlichkeit tragen, dazu hingerissen werden, sich zur Wahrung ihrer Hypothesen (und dadurch auch ihres Gesichts) auf polemische Wortgefechte einzulassen, statt ganz interesselos nach Aufdeckung der Wahrheit zu streben (S. 36). Hooke-Newton-Merton Prinzip.

Merton stellt eine Vergötterung Newtons im 18. Jh. fest (S.40): "Und Newton war jedenfalls ein populäres, viel verehrtes Idol seiner Zeit, ähnlich wie Einstein in unseren Tagen." (S. 42).

Jean Luis Vives (de Causis Corruptarum Artium - über die Ursachen des Verfalls der freien Künste): "Da ist ein Schielen nach dem Auditorium, als wär's ein Theaterpublikum, das sich nicht am besten Manne, sondern am besten Schauspieler ergötzt. Denn die Zuhörer können sich keine Meinung über etwas bilden, von dem sie nichts verstehen. Daher wird Streit vom Auditorium mit großem Beifall aufgenommen, denn ihm sagt das Spektakel eines Kampfes am meisten zu" (S.62).

Bernhard von Chartes (starb 1126). Schüler war John of Salisbury. Bei ihm der Gedanke, dass Nachfolger nicht unbedingt ein helleres Köpfchen haben müssen, um weit mehr zu wissen und daher weiter zu sehen als diese- so verhält es sich nun mal mit der Akkumulation von Wissen (S. 46).

Godfrey Goodman (17. Jh.): "... man sagt nämlich, wir seien wie Zwerge, die auf die Schultern von Riesen gestellt worden sind, wir erkannten für uns genommen wenig, aber indem wir die Gelehrtheit und die Fundamente der Alten voraussetzten, sähen wir weiter als sie (was tatsächlich so viel bedeutet wie, dass wir unsere eigenen Urteile den ihren vorziehen)...".

Goodman schreibt, dass es in Ordnung sei anzunehmen, dass die Zwerge in die Höhe gehoben worden sind, aber sollten wir nicht zuerst fragen, wie sie überhaupt dort hin gelangt sind?

Wie bringen die Zwerge es zuwege, die Höhe der Riesen zu erklimmen?

Merton beklagt auch hierin antizipiert worden zu sein. Denn er hat immer die These vertreten, dass man die Schriften klassischer Autoren aus jedem Wissensbereich von Zeit zu Zeit mit Gewinn wieder lesen kann und dass bei erneuter Lektüre jedes mal zusätzliche Gedanken und Hinweise neu in den Blick geraten.

Denn: "Was man in den Schriften der Vergangenheit finden kann, ist alles andere als ein für allemal festgelegt. Es verändert sich so, wie sich unser intellektuelles Wahrnehmungsvermögen verändert; je mehr wir auf uns selbst gestellt lernen, desto mehr können wir durch ein wiederholtes Lesen aus unserer neu gewonnenen Perspektive lernen" (S. 49).

Wie sollen die Zwerge in ihrer Position verharren? Es könnte ihnen schwindelig werden!

Goodman: "Man muss fürchten, dass sie angesichts eines so jähen Abhangs eher von Schwindel übermannt werden, als dass sie die Objekte richtig zu beurteilen vermöchten; dass sie angesichts der vielfältigen Gelehrsamkeit bei den Vätern in Verwirrung geraten und nicht fähig sein werden, die Tiefe von deren Gründen auszuloten..." (S.49, 50).

Goodman sieht als erster, dass der Aphorismus aus den Alten Fußbänke macht. Er stellt als erster die Frage, wie die Zwerge, wenn sie erst einmal in die Höhe gelangt sind, ihre prekäre Position bewahren und welche schlimmen Folgen es hätte, wenn "die Riesen stolpern oder stürzen sollten" (S.50).

Dann sollte man auf den Zwerg achten mit seiner Überheblichkeit, seinem Stolz, seiner fixen Idee. Dann will der Zwerg leiten und führen und vor dem Sturz bewahren, mit Hochmut... Wenn also der Riese einem Irrtum unterliegt, erliegt der Zwerg sogleich der Sünde. Die Alten sind zwar fallbar, die Modernen aber sind moralisch und intellektuell stets fehlbar (S.50).

"Denn es gibt wirklich keinen Hinweis darauf, dass sich die Qualität des menschlichen Intellekts im Laufe der letzten zwei oder drei Jahrtausende erheblich verbessert oder verschlechtert hätte" (S. 58).

Joseph Glanvill (Theologe aus dem 17. Jh.) zerpflückte den Charakter des Aristoteles: "...beim Fehlen dieser Kunst (des Buchdrucks) war es für einen einzigen Aristoteles ein Leichtes, die beträchtlichen Reste der Alten zu zerstören, die ihm die Kraft seiner großen Gelehrsamkeit in die Hand gab; was er, wie uns glaubwürdig berichtet wird, tat, um für seine eigenen Leistungen mehr Ruhm zu erlangen: wie auch um seine Diebstähle und seinen boshaften Handel mit diesen verehrungswürdigen Weisen zu verdecken, denen zu widersprechen und die bloß zustellen im anscheinend großes Vergnügen bereitet, wie ich an anderer Stelle bewiesen habe." (S. 67).

Zu finden in Glanvills Essays on Several Important Subjects in Philosophy and Religion, London: gedruckt von J.D. für John Baker bei den Three Pidgeons und für Henry Mortlock im Phönix in St. Pauls Church-Yard, 1676, S. 31-32.

Typisch für das 17. Jh. die Vorwürfe des 'Plagiats'.

"Die Gemeinschaft der Wissenschaftler erstreckt sich in Zeit und Raum." (S. 74).

Francis Bacons Paradoxon: Antiquitas saeculi, juventus mundi. Bacon wollte hier sagen: die Modernen sind die eigentlichen Alten, und die fälschlich so genannten Alten bilden die Jugend des Menschengeschlechts.

Je länger die Menschheit da ist - und zu Bacons Zeiten waren eben die Modernen am längsten da (so wie zu unserer Zeit wir am längsten da sind und nach uns wer weiß wer) - desto älter (und aniker) ist sie (S. 77).

Die modernen Knaben sind gebildeter als die Leute einer älteren Zeit, diese Knaben vertreten das Alter der Welt. (Merton: "Ein ziemlich zusammen gerührtes Bild, dieses historische Omlett aus Gleichnissen! Aber wir wissen ja, dass es nur aus guten Zutaten besteht, und so braucht es uns nicht unbekömmlich zu erscheinen "(S.78).

Francis Bacon in Novum Organum (Neues Organ der Wissenschaften), Aphorismus 84: "Denn es gebührt dem späteren, mündigern Alter der Welt, also unsern und nicht jenen jüngeren Zeiten, worin die so genannten Alten lebten, der Name des Altertums. Jene Zeit ist in Rücksicht auf die unsrige zwar älter, aber in Rücksicht der Welt selbst jünger" (S. 78). ...unser Zeitalter ist das reifere und an Erfahrungen und Beobachtungen unendlich reichere (Deutsch von Anton Theobald, Leipzig 1830). (S. 78).

Die Grundelemente von Bacons Paradoxon tauchen schon vorher bei Galilei, Campanella und Giordano Bruno auf. ? 4. Esdras 14, 10: "Denn die Welt hat ihre Jugend verloren, die Zeiten nähern sich dem Alter".? (Anm: Soll in den Apokryphen sein, fand ich aber dort nicht).

Sir Thomas Pope Blount formuliert das Paradoxon und den Aphorismus in aller Vollständigkeit: "Die Menschen mögen sich nicht täuschen und glauben, wir lebten im Abschaum der Zeit und die Alten hätten uns große Vorteile voraus; ... denn Altertum besteht im Alter der Welt und nicht in ihrer Jugend. Wir sind die Väter und haben mehr Autorität als frühere Jahrhunderte; weil wir den Vorzug einer längeren Zeit genießen, als sie hatten, und weil die Wahrheit eine Tochter der Zeit ist. "

"Und überdies ist unser Verstand von allem Sich-Verschlechtern so weit entfernt, dass er an Schärfe mehr und mehr zunimmt; und da er von der gleichen Natur wie der der Alten ist, hat er ihnen solche Vorteile voraus, wie ein Zwerg auf den Schultern eines Riesen hat; von wo er nicht nur eben soviel sieht wie sein Träger, sondern mehr." (S. 85).

Sir Thomas der sich selber auf die Werke von einigen sechshundert gelehrten Männern stützte sagte aber auch: "Es gibt kein einfältigeres Lebewesen und kein überflüssigeres Mitglied im Staate als einen bloßen Gelehrten" (S. 86).

Der Publikationskitzel (Insanabile scribendi cacoéthes (Juvenal)).
Ein wunderbares Mittel: Das erste Wort jeder Zeile auf ein Blatt schreiben und dann den übrigen Raum anfüllen. Das ist eine höchst ansteckende Schnellschreib-Methode. Witzige Darstellung des 'Infekts' auf Seite 80.

Wunderkinder und kindliche Gelehrsamkeit: S. 101, 102

Der Scriblerus Club: Pope, Swift, Gay, Parnell.

Jonathan Swift: Die Schlacht zwischen den alten und modernen Büchern (1740). Das Tonnenmärchen. Hier beschreibt Swift mit überragendem Genie den meisterlichen Gebrauch jenes wichtigsten Werkzeugs bei der schriftstellerischen Arbeit- der Abschweifung.

Swift bringt das Dilemma des Schriftstellers zum Ausdruck, auf den eine wirre Menge von Gedanken ein stürmt. Swift ist ihnen gegenüber reserviert (Satz Schachteln wenn eine Abschweifung in der anderen steckt).

Dagegen Tristram Shandy : "Abschweifungen sind unbestreitbar der Sonnenschein, sie sind das Leben, die Seele des Lesestoffs..." (S. 111).

Er gibt einige Richtlinien für den Schriftsteller: Die ganze Kunst liegt auch hier im guten Kochen und Anrichten, so dass nicht nur der Leser, sondern auch der Autor dabei seinen Vorteil findet. In den meisten Fällen, wenn die Abschweifung einsetzt steht die Haupthandlung stockstill, und wenn die Haupthandlung fortfährt, so hört die Abschweifung wieder auf.

Das ist eher schlechte Arbeit. Eher im Hauptwerke die vielen zufälligen Nebenbestandteile sich an so vielen Stellen schneiden lassen, die fortschreitenden und abschweifenden Bewegungen so ineinander schachteln und verflechten, und ein Rad ins andere greifen lassen, dass der ganze Mechanismus im Gange gehalten wird (S. 112).

Swift: "Zweifellos haben die Philosophen recht, wenn sie uns sagen, dass alles nur durch den Vergleich groß oder klein sei". (Gulliver, II.Teil, Kap.1) (S.115).

Es ist eine der Grundannahmen der Wissenssoziologie, dass die sozialen Beziehungen, in denen ein Mensch steht, sich irgendwie in seinen Gedanken widerspiegeln (S.119).

Die Anerkennung durch unterrichtete Fachgenossen als Motivationskraft bei Wissenschaftlern und Gelehrten.

Sir William Temple: "Nun glaube ich, nichts in der Welt ist offenkundiger, als dass Ehre ein stärkeres Prinzip des Handelns wie auch der Erfindung ist, als es Gewinn jemals sein kann; dass alle großen und edlen Hervorbringungen von Geist und Mut durch jene allein angeregt und beseelt worden sind ... Habsucht hingegen ist unter den Leidenschaften die garstigste, schwerfälligste, mit Schmutz und Kot bedeckt,... da ist's kein Wunder, dass die Weisheit so wenig fortgeschritten ist, seit sie zum Mietling wurde." (S. 138, 139).

Merton dazu: "Eine von Zorn und Schwermut durchdrungene, vorahnungsvolle Diagnose der Gefahren, denen sich die Wissenschaft im Zeitalter des Überflusses gegenübersieht" (S. 139).

Tristram: Nehmen wir nur am Umfang aber nicht am Gehalt zu? Sollen wir immer so weiter Bücher so schreiben, wie die Apotheker neue Mixturen machen, indem wir Wasser aus einem Gefäß ins andere gießen?

Wie die alten Römer alle Städte der Welt ausplünderten, um ihr unansehnliches Rom herzurichten? Schöpfen wir den Rahm von anderer Leute Witz ab, pflücken uns die erlesensten Blumen aus ihren wohlbestellten Gärten um unser eigenes unfruchtbares Fleckchen Erde aufzubessern? Weben wir immer am selben Netz, drehen immer wieder dasselbe Seil? (S. 140). (Merton: Das ist selbst ein zynisches Plagiat).

Die Antwort, die Tristram gibt: "Man halte sich unbedingt an die Weisheit der Vergangenheit, da einem sonst der Anspruch, das Wissen beginne bei einem selbst, zum Vorwurf gemacht wird.

Man verwechsle diese Abhängigkeit aber nicht mit der befliessenen Repetition ihrer Lehren. Man folge statt dessen, wohin einen die Neigung lenkt, denn einen besseren Weg zum Schreiben einer Geschichte gibt es nicht. Es hat keinen Zweck Kohlen ins Bergwerk (Anonym, 16.Jh.)., Holz in den Wald (Horaz), Eulen nach Athen (Diogenes Laertius) oder Geschichte zum Historiker (Merton) zu bringen" (S. 141).

Der Kern von Tristrams Methode (der auch Merton in dieser Erzählung gefolgt ist): Tristram: In der Welt des Geistes ist es unmöglich eine Geschichte so vor sich her zu treiben wie ein Treiber den Maulesel, also geradeaus ohne sich nach links oder rechts umzusehen.

Ein Mann von auch nur ein wenig Geist, wird fünfzig auf keine Weise vermeidliche Abweichungen von der geraden Linie mit der oder jener Gesellschaft, die er am Wege trifft machen.

Sein Auge wird ohne Unterlass von Aussichten und Ansichten in Anspruch genommen sein, und er wird ebenso wenig umhin können, vor ihnen halt zumachen, wie er es zustande vermöchte zu fliegen.

Er wird zudem verschiedene
Nachrichten zu vergleichen
Anekdoten zu sammeln
Inschriften zu entziffern
Geschichten einzuweben
Überlieferungen zu sichten
Großen Herren auf zuwarten
Lob reden auf diese Tür
Schmähverse auf jene auf zukleben haben...

...von welchen Aufgaben sowohl der Maultiertreiber als auch der Maulesel selber befreit sind.

Alles in allem: Vor jedem Abschnitt gibt's Archive zu durchstöbern und Schriftrollen, Urkunden, Dokumente und endlose Geschlechtsregister zu lesen, vor welchen halt zumachen und auf welche einzugehen die Gerechtigkeit und Billigkeit ihn stets von neuem auffordern. Kurzum, das Ende ist an keiner Stelle abzusehen (S. 141, 142).

Tristram schreibt zur Natur der Hypothese:"Es liegt in der Natur der Hypothese, dass sie, einmal gefasst, alles und jedes als Nahrungsstoff an sich reißt. Und vom ersten Augenblick an, da das menschliche Gehirn sie zeugt, wächst sie und nimmt durch alles, was der Mensch sieht, hört und liest, an Kraft zu." (S. 149). "Das ist von großem Nutzen."

Das erste von Vater Shandys unumstößlichen Axiome ist: "...dass eine Unze eigenen Witzes und Verstandes so viel Wert sei wie eine Tonne fremden". (Witz hier als 'Erfahrung' und 'Wissen').

Gestützt auf das Shandysche Axiom schätzt Merton einen eigenen Irrtum höher als eine erborgte Wahrheit. "Denn jener ist Teil meiner selbst, während diese mir fremd bleibt, so sehr ich mich auch bemühe, sie mir vollständig an zueignen. Eben dies besagt das Axiom und manifestiert so schon aus sich heraus die erlösende Gnade des ursprünglichen Irrtums." (S. 150).

Merton bedauert die Beschränkung Shandys auf die historische Methodologie und denkt an die heutigen Schwierigkeiten der Soziologie im besonderen an das Verhältnis zwischen dem sozial Plausiblen, wobei Erscheinungen überzeugend wirken, obwohl sie in die Irre führen mögen und dem Wahren, wobei Annahmen durch geeignete Beobachtungen bestätigt werden.

Merton: Hier soll der Hinweis genügen, dass die Unabhängigkeit dieser beiden Elemente voneinander, den Soziologen mit einigen unangenehmen Alternativen konfrontiert.

Wenn seine systematischen Untersuchungen nur bestätigen, was weiterhin akzeptiert ist - dies wäre die Klasse der plausiblen Wahrheiten -, so wird man ihm natürlich den Vorwurf machen, er gebe sich mit Banalitäten ab.

Er wird zum Langeweiler gestempelt, der nur erzählt, was alle schon wissen. Sollten seine Nachforschungen die Unwahrheit allgemein akzeptierter Überzeugungen ergeben- dies wäre die Klasse der plausiblen Unwahrheiten-, so ist er ein Häretiker, der Wahrheiten in Frage stellt, die als Grundwerte betrachtet werden.

Wenn er es riskiert, unplausible Vorstellungen über die Gesellschaft zu untersuchen, die sich als unwahr herausstellen, so ist er ein Verrückter, der seine Kraft an Forschungen verschwendet, die es nicht wert sind, betrieben zu werden.

Und wenn er schließlich auf einige unplausible Wahrheiten stößt, dann muss er sich darauf gefasst machen, als Scharlatan betrachtet zu werden, der als Erkenntnis ausgibt, was offenkundig falsch ist (S. 150, 151).

Tristram gibt strebsamen Autoren einen entscheidenden Rat: "Schriftsteller müssen vor sich hinsehen und voraussehen, um im Schwung zu bleiben und den Zusammenhang des Werkes nicht zu verlieren." (S. 151).

Swift: (Gulliver): Beschäftigung mit Projekten des 'Gemeinwesens', dem Gleichgewichts-Mechanismus der gesetzgebenden Körperschaft.

"Dass jeder Senator in der großen Ratsversammlung einer Nation, nachdem er seine Meinung dargelegt und Argumente zu ihrer Verteidigung vorgebracht habe, verpflichtet sein sollte, seine Stimme für das genaue Gegenteil abzugeben; denn wenn das geschähe, so würde das Ergebnis unfehlbar zum Vorteil des Gemeinwesens ausfallen." (S. 119).

Damit kommen wir wieder zum Glutzündel-Prinzip.

Merton: Die Crux dabei ist natürlich: Wie kann man die Wahrheitssucher vor den Reaktionen des Mobs abschirmen von dem bunt gewürfelten Haufen, der früher unter dem Namen 'mobile' bekannt war ? (mobile vulgus, die wankelmütige oder leicht erregbare Menge) (S. 126, 127).

Modale Zwerge sitzen; deviante Zwerge stehen (S. 164).

Priscian: Quanto iuniores, tanto sint perspicaciores (je jünger die Philosophen, desto scharfsinniger sind sie).

Francis Bacon: Juventus mundi, antiquitas saeculi
Roger Bacon (nach Priscian): Quanto iuniores, tanto perspicaciores
Ergo:

Francis Bacon: Das Alter der Zeit ist die Jugend der Welt.
Roger Bacon (nach Priscian): Je jünger, desto scharfsinniger.
Daher: Die Alten sind scharfsinniger als die Modernen.

Merton: "Hier liegt Stärke syllogistischer Synthese "(S. 170).

Merton: "Wir müssen in der Lage sein, unsere Gedankenkinder, gleichgültig, wie lieb sie uns sind, zurück zuweisen; sonst sterben sie an allzu vieler Liebe" (S. 173).

Die große Kunst und Geschicklichkeit eines Inserenten zeigt sich vor allem in dem Stil, dessen er sich bedient. Er muss die universelle Wertschätzung oder den allgemein bekannten Namen (das Image) von Dingen erwähnen, die gänzlich unbekannt sind.

Anzeigen geben dem Ehrgeiz ein Mittel in die Hand. Joseph Addison: "... dass der Zaunkönig ebenso hoch emporsteigt wie der Adler, indem er sich auf dessen Rücken begab." Addison bemerkte den polemischen Charakter der Werbung. Inserate setzen die Welt davon in Kenntnis, wo man sich mit dem fürs Leben Notwendigen versehen kann (S. 181).

Manche Schriften kranken an einem Übermaß von Zitaten (S. 183).

Bei der Überlieferung von Ideen führt jede weitere Wiederholung leicht dazu, dass alle vorhergehenden Fassungen außer einer ausgelöscht werden. (Anatopisches Syndrom, Palimpsest-Syndrom).

Warum? Weil die meisten von uns dazu neigen, eine verblüffende Idee oder Formulierung dem Autor zuzuschreiben, der uns zuerst damit bekannt gemacht hat. Manche wiederum, weil sie nicht die Kenntnisfülle ihrer Leser beleidigen wollen, zitieren die ursprüngliche Quelle nicht und verweisen nicht auf sie. Auch so kommt es zu fälschlichen Identifizierungen (S. 185).

Henri de Mondeville (französischer Chirurg) erklärt es zur Pflicht, das neu erlangte Wissen aufzuzeichnen, und macht so die Zwerge größer. Die Zwerge jeder Epoche werden zu Riesen für die nächste Epoche (S. 190).

Abstoßende Praxis, aus einer Vielzahl und Vielfalt von Autoritäten zu zitieren, deren gelegentliche Irrtümer sogleich richtig zustellen (S. 200).

Bucharin (Nikolai Iwanowitsch), stellt fest, dass Erfahrung, die das Resultat des Einflusses der Außenwelt auf das erkennende Subjekt im Prozess seiner Praxis darstellt, auf den Schultern der Erfahrung von anderen Menschen steht (S. 221).

Gerald Horlton, Solla Price und andere: Heute leben 80-90 % aller Wissenschaftler die je gelebt haben (S.222).
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Quelle bzw. verwendete Literatur:
On the Shoulders of Giants von Robert K. Merton
Auf den Schultern von Riesen
Ein Leitfaden durch das Labyrinth der Gelehrsamkeit, 1965
deutsch: 1980, Syndikat Verlag
Exzerpt und Notizen: transitenator
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Dieses Büchlein von Merton ist eigentlich ein Brief an Bernard Bailyn, Historiker an der Havard University, 1959/60

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