ZIVILISATION im BEWUSSTSEIN zt-11
Tweet this!Der Begriff 'Zivilisation' bezieht sich auf verschiedene Fakten: Stand der Technik, Art der Manieren, wissenschaftliche Erkenntnis, religiöse Ideen und Gebräuche, Art des Wohnens u. Zusammenlebens, gerichtliche Bestrafung, Zubereitung des Essens, etc.
Prüfen und fragen: Was ist die allgemeine Funktion des Begriffes Zivilisation, wann ist etwas zivilisiert, wann schätzen wir etwas als zivilisiert ein?
Dieser Begriff bringt das Selbstbewusstsein des Abendlandes zum Ausdruck, das Nationalbewusstsein. Er unterscheidet von früheren 'primitiveren' Gesellschaften.
Durch den Zivilisationsbegriff sucht die abendländische Gesellschaft zu charakterisieren, was ihre Eigenart ausmacht, und worauf sie stolz ist: den Stand der Technik, Art der Manieren, ihre Weltanschauung etc.
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Quelle: Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation, Erstmals veröffentlicht 1936, Francke Verlag: 1969 2. Auflage,Suhrkamp:1976 1. Auflage,19. Auflage 1995, Exzerpt: transitenator
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'Zivilisation' bedeutet in verschiedenen Nationen nicht das gleiche.
'Kultur' ist das Wort durch das man im Deutschen sich selbst interpretiert. 'Kulturell' bezeichnet Wert und Charakter bestimmter menschlicher Produkte. 'Kultiviert' steht wiederum dem Zivilisationsbegriff nahe und bezeichnet Formen des Verhaltens oder Gebarens von Menschen.
Im französischen bezeichnet Zivilisation den Stolz auf die Bedeutung der eigenen Nation und bezieht sich sowohl auf Leistungen als auch auf Haltungen (behaviour) und Werte.
'Zivilisation' bezeichnet einen Prozess oder mindestens das Resultat eines Prozesses, EIN ETWAS das in Bewegung ist, das vorwärts geht.
Der deutsche Begriff 'Kultur' bezieht sich auf Produkte des Menschen die da sind wie 'Blüten auf den Feldern', auf Kunstwerke, Bücher, religiöse oder philosophische Systeme, in denen die Eigenart eines Volkes zum Ausdruck kommt. Der Begriff 'Kultur' grenzt ab.
Der (französische) Zivilisationsbegriff spricht das Selbstbewusstsein von Völkern aus, deren nationale Grenzen und deren Eigenart seit Jahrhunderten nicht mehr in besonderem Maße zur Diskussion stehen.
Der deutsche Kulturbegriff hebt die nationalen Unterschiede, die Eigenart der Gruppen besonders hervor.
In diesem Kulturbegriff spiegelt sich das Selbstbewusstsein einer Nation, die immer wieder fragen musste: 'Was ist eigentlich unsere Eigenart?'
Die Bewegungsrichtung des deutschen Kulturbegriffes, die Tendenz zur Abgrenzung, zum Hervorheben der Unterschiede entspricht diesem geschichtlichen Prozess.
Was eigentlich französisch oder englisch sei steht in diesen Ländern kaum zur Diskussion, aber die Frage was eigentlich deutsch sei, ist seit Jahrhunderten nicht zur Ruhe gekommen.
Der Aufbau des nationalen Selbstbewusstseins, der durch Begriffe wie 'Kultur' oder 'Zivilisation' repräsentiert wird ist also sehr verschieden. Dahinter stehen prägende Gesellschaften (ganze Völker bzw. bestimmende Schichten).
Begriffe wie 'Zivilisation' und 'Kultur' sind nur durch die Geschichte (durch geschichtliche Situationen) zu erklären und nicht los lösbar und erklärbar ohne diese (aus dem 'sprechenden Kollektiv').
Sie wurden zu Modeworten, Begriffen der Umgangssprache einer bestimmten Gesellschaft und entsprachen dem Ausdrucksbedürfnis eines Kollektivs und nicht nur des Einzelnen.
Die Geschichte des Kollektivs hat in ihnen einen Niederschlag gefunden und klingt in ihnen nach (S. 6). Der einzelne lernt von klein auf die Welt durch die Brille dieser Begriffe zu sehen, auch wenn der Prozess der gesellschaftlichen Genese längst vergessen sein mag.
Diese Begriffe leben, solange dieser Niederschlag der vergangenen Erfahrungen und Situationen einen Aktualitätswert, eine Funktion im aktuellen Dasein der Gesellschaft behält, und ob kommende Generationen aus dem Sinn der Worte ihre eigenen Erfahrungen heraushören können ist eine andere Frage.
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