20070310

MACHT DEMOKRATIE REICH? sk-05

I'm reading: MACHT DEMOKRATIE REICH? sk-05Tweet this!

Fred Hirsch unterscheidet in seinem Buch 'Soziale Grenzen des Wachstums' zwischen einer materiellen Ökonomie (Objekte des Wirtschaftswachstums) und einer positionellen Ökonomie (positionelle Güter die knapp bleiben).

Wird Gleichheit in Hinsicht auf materielle Güter betrieben, so wird die positionelle Ungleichheit dadurch nicht beseitigt.

Hirsch bezieht sich auf Roy Harrods Begriffe des demokratischen Wohlstandes (der auf alle ausgedehnt werden kann) und des oligarchischen Wohlstandes (der in wenigen Händen bleibt). Es geht im Kern um die Unterscheidung von ökonomischen Faktoren einerseits und sozialen und politischen Faktoren andererseits (S. 31).

Politische Prozesse beruhen auf menschlichem Eingreifen, während ökonomische Prozesse naturwüchsig ablaufen. Politik geschieht in Institutionen, Ökonomie im Markt. Der Witz der Unterscheidung liegt darin, Politik und Ökonomie wieder zusammenzubringen, also ihr Verhältnis zu bestimmen. Es sind zwei Formen sozialer Prozesse und zwei Perspektiven auf Gesellschaft.
---------------------------------
Quelle: Der moderne soziale Konflikt von Ralf Dahrendorf, Stuttgart 1992 (1), München 1994, dtv Taschenbuch
Exzerpt: transitenator
---------------------------------
Adam Smith glaubte an einen natürlichen Fortschritt des Reichtums, dass der Markt die Kraft zu seiner eigenen Ausweitung enthält so dass am Ende alle Ungleichheit weggefegt wird und sich allgemeiner Wohlstand quer durch die Gesellschaft ('Ränge der Gesellschaft') ausbreiten würde.

Das Paradox: Wohlstand aber auch Ränge. Nicht eher gleiche Ränge und verschiedenes Einkommen? Also eine Schwäche der ökonomischen Analyse, da Ungleichheiten des Angebots eher erträglich sind als solche der Anrechte.

Seine Disziplin konzentriert sich auf das Angebot. Ökonomie ist Angebotswissenschaft. Alles Mögliche wird aus dem Wachstum des Angebots, der Einkommen, des Lebensstandards und der Wohlfahrt abgeleitet.

Ökonomen halten die zugrundeliegenden Sozialstrukturen ängstlich konstant (S. 32).

Die Schwächen der ökonomischen Analyse darf manfrau nicht mit der Wirklichkeit verwechseln. Der Kapitalismus, das Wachstum des Angebots, löst weder alle Probleme noch schafft er sie.

Adam Smith irrte, als er sich zu viel vom 'natürlichen Fortschritt des Reichtums' erhoffte, und Karl Marx irrte in der Erwartung, dass die Widersprüche des Kapitalismus zur dramatischen Auflösung des gordischen Knotens von Angebot und Anrechten führen würden.

Märkte versagen, wenn es um Anrechtsveränderungen geht, und Regierungen versagen bei der Steigerung des Angebots, aber es wäre falsch den Markt oder den Staat für das verantwortlich zu machen, was sie ihrer Natur nach nicht leisten können (S. 33).

Es gibt nicht nur einen ökonomischen Imperialismus (der sich alles von der Ausweitung des Angebots erhofft) sondern auch einen politischen Imperialismus (der alle ökonomischen Fragen als Anrechtsfragen zu definieren versucht).

Grundrechte werden nicht nur durch Folter und Verhaftung verletzt sondern auch durch Hunger und Not.

Der Zusammenhang von Politik und Ökonomie ist denn auch der fruchtbarste Punkt ihrer Unterscheidung.

Inwiefern setzen Politik und Ökonomie einander voraus? Welche ökonomischen Voraussetzungen hat die politische Freiheit?

Welche politischen Voraussetzungen hat der wirtschaftliche Fortschritt?

Das sind brennende Fragen beim Übergang von autoritären oder totalitären Regimes zu offenen Gesellschaften.

Demokratie und wirtschaftliches Wachstum? Die Korrelation der beiden wird oft als Kausalbeziehung verstanden.
Macht Demokratie reich?

Gorbatschow formulierte, daß Glasnost (politische Freiheit) noch keine Garantie für Perestroika (wirtschaftliche Umgestaltung) bietet.

Zurück zum Beispiel Nicaragua: Nur eine Minderheit profitierte von Wachstum. Die Anrechtsgrenzen waren nicht durchlässig. Das gilt in vielen Entwicklungsländern.

Es gibt keine Grenzen für den Reichtum der Reichen und auch nicht für ihren Zynismus gegenüber den Armen. Die Lage der Besitzlosen ändert sich nicht. Beispiel Nigeria.

Wenn nicht traditionelle Anrechtsstrukturen gebrochen und Elemente einer Bürgergesellschaft geschaffen werden, bedeutet makroökonomisches Wachstum wenig für die vielen, so gut auch Statistiken ausschauen mögen (S. 35).

Gefahren des politischen Wandels: Werden auch Anrechtsstrukturen durchbrochen besteht die Gefahr, dass die Herrenschicht des alten Regimes durch eine neue Funktionärsschicht, eine Nomenklatura ersetzt wird.

Es ist keineswegs klar, dass politische Reform die Triebfeder des ökonomischen Erfolges freisetzt.

Wirtschaftlicher Erfolg verlangt Motivation (geheimnisvolle Kraft) durch das Zuckerbrot der Angebotsökonomen (Menschen müssen mehr wollen) und der Peitsche der Zuchtmeister der Arbeitsdisziplin (auf unmittelbares Vergnügen zugunsten zukünftiger Befriedigungen sollte verzichtet werden).

Das sind zwei große Hindernisse auf dem Weg zum wirtschaftlichen Wohlstand und die Politik kann nur wenig zu ihrer Überwindung tun um Menschen aus ihrer Gewöhnung an den Zyklus der Armut zu befreien und Erfindergeist und Unternehmertum zu entwickeln (S. 36).

Zusammenfassung Dahrendorfs zur ersten Frage inwieweit Politik und Ökonomie einander voraussetzen: "Gewisse Anrechtsstrukturen sind eine notwendige Voraussetzung für das Wachsen des wirtschaftlichen Angebots, aber mehr sind sie nicht. Ein breites und wachsendes Angebot hilft der Etablierung politischer Strukturen, aber ihre Schaffung verlangt einen eigenen Akt".

Nun eine zweite Frage des Verhältnisses von Politik und Ökonomie: Inwiefern lassen sich Anrechtsprobleme durch ein hohes Angebot überspielen? Können umgekehrt Anrechte ein fehlendes Angebot kompensieren?

Kann manfrau sagen, dass herrschende Klassen stets ein Interesse daran haben Probleme ökonomisch zu wenden, während fordernde Klassen die Sprache der Politik bevorzugen? Warum kann manfrau nicht sowohl Zugang für alle, als auch eine Fülle von Gütern haben?

Der Zusammenhang von Politik und Ökonomie ist immer der Zusammenhang zweier verschiedener Prozesse und Perspektiven.

Es gibt strategische Veränderungen, die gleichsam in einem Schlag Anrechte und Angebot zu steigern vermögen; doch sind sie seltene und große Momente der Geschichte. Die Regel ist anders. Sie liegt im Konflikt zwischen den verschiedenen Denkschulen (S.37).

Die Angebotspartei glaubt, dass es vor allem auf das Wirtschaftswachstum ankommt, auf die Vermehrung von Gütern und Dienstleistungen, ihrer Qualität und ihrer Vielfalt.

Sie sehen die Aufgabe der Menschheit gerne als Positivsummenspiel. Fortschritt kann schmerzenlos sein. Alle wichtigen Fragen sind ökonomisch gesehen und die Grenzen der Knappheit müssen weiter hinausgeschoben werden, so dass alle mehr haben können.

Die Anrechtspartei meint, dass manchmal Nullsummenspiele nötig sind, bei denen eine Seite für die Gewinne der anderen bezahlen muß. Fortschritt beruhe nicht auf der gemeinsamen Anstrengung die Grenzen der Knappheit hinauszuschieben, sondern auf dem Kampf von Gruppen um einen Platz an der Sonne.

Der Fortschritt bemisst sich an der Zahl von Menschen, die Zugang zu Märkten wie auch zur aktiven Öffentlichkeit und zu den Chancen der Gesellschaft allgemein finden. Die Hauptfragen sind hier daher politisch in dem Sinne, dass sie bewusstes Handeln zur Etablierung von Rechten und zur Umverteilung von Gütern verlangen (S. 38).

misterlinker

backlinksite

stats

BlogCatalog News

twittercounter

TwitterCounter for @transitenator

twitter updates

BC Neighbors

Blogger:

Mein Bild
Bad Goisern @ HallstaetterSee, Upper Austria, Austria
Austrian Blogger Stumbler Digger Social Networker Promoter etc-
Powered By Blogger

  © Blogger template Brooklyn by Ourblogtemplates.com 2008

Back to TOP