20070421

Verhaltensänderung in der Renaissance zt-24

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Rücken Peinlichkeitsschwelle und Schamgrenze in der Zeit des Erasmus vor? Manfrau könnte es vermuten.

Die Manierenschriften der Humanisten bilden gewissermaßen die Brücke zwischen denen des Mittelalters und denen der neueren Zeit. Auch die Schrift des Erasmus, Gipfelpunkt in der Reihe der humanistischen Manierenschriften hat dieses Doppelgesicht. Sie steht in vielem durchaus im Zuge der mittelalterlichen Tradition.

Aber zugleich sind in ihr offenbar Ansätze zu etwas Neuem enthalten. Mit ihr entwickelt sich allmählich jener Begriff, der den ritterlich-feudalen Begriff von Höflichkeit in den Hintergrund drängte.

Im Laufe des 16. Jhs. tritt der Gebrauch des Begriffes 'courteoisie' in der Oberschicht langsam zurück, der des Begriffes 'civilité' wird häufiger und im 17. Jh. in Frankreich gebräuchlich.

Das ist ein Anzeichen für eine Verhaltensänderung von beträchtlichem Ausmaß. Das Werk des Erasmus steht in vielem noch im Zuge der mittelalterlichen Tradition. Seine Beziehung zur Hinterlassenschaft der Antike ist belegbar.

Erasmus hat einen bestimmten Standard der Sitten vor Augen. Seine Manierenschrift ist auch eine Sammlung von Beobachtungen aus dem Leben der Gesellschaft selbst. Sie ist 'ein wenig das Werk von aller Welt'. Ihr Erfolg, ihre rasche Ausbreitung zeigt, wie sehr sie einem gesellschaftlichen Bedürfnis entsprach, etwas das die Gesellschaft verlangte.

Die Gesellschaft war im Übergang. Bei aller Verbundenheit mit dem Mittelalter ist etwas Neues im Werden. Das was wir als 'Einfalt' empfinden ist verloren gegangen. Manfrau sieht differenzierter, mit stärkerer Zurückhaltung der eigenen Affekte.

Was die Schrift des Erasmus von anderen Manierenschriften unterscheidet, ist der Ton in dem sie geschrieben ist. Hier spricht jemand, der auch seine Erfahrungen niederschreibt. Er ist nicht nur ein Sammler von Sitten und Unsitten sondern hält sich an die gesellschaftliche Wirklichkeit und gewinnt als Nachrichtenquelle über gesellschaftliche Prozesse an Bedeutung.

Das Problem des Verhaltens in der Gesellschaft war in dieser Zeit offenbar so wichtig geworden, dass selbst Menschen von großem Ruf und Begabung die Beschäftigung mit ihm nicht verschmähten. (Seine Schrift war einem Königssohn gewidmet).

Erasmus' Schrift fällt in die Zeit einer sozialen Umgruppierung. Es ist die Phase, in der die alte feudale Adelsschicht noch im Niedergange, die neue höfisch-absolutistische noch in der Bildung begriffen war.
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Quelle: Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation, Erstmals veröffentlicht 1936, Francke Verlag: 1969 2. Auflage,Suhrkamp:1976 1. Auflage,19. Auflage 1995
Exzerpt: transitenator
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Humanisten, die Vertreter der weltlich-bürgerlichen Intelligenzschicht hatten Chancen des Aufstiegs (Ansehen und geistige Macht zu gewinnen), des Freimuts und der Distanzierung.

Erasmus zeigt das charakteristische Selbstbewusstsein des Intelligenzlers, des durch Geist, Wissen, Schreiben Aufgestiegenen, durch das Buch legitimierten, der auch gegenüber herrschenden Schichten und Meinungen Distanz zu wahren vermag (S. 95).

Es zeigt sich die Verwandtschaft solcher Gedanken mit denen der deutschen Intelligenzschicht des 18. Jhs. mit ihrer Selbstlegitimierung durch Begriffe wie 'Kultur' und 'Bildung'.

Den Rangunterschieden im Benehmen Beachtung zu schenken wird von nun zum Inbegriff der Höflichkeit und zur Grundforderung der 'civilité', wenigstens in Frankreich.

misterlinker

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