20070419

Soziale Genese des französischen Begriffs 'Zivilisation'.

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Die Entwicklung des französischen Bürgertums verlief in gewisser Hinsicht genau umgekehrt wie die des deutschen. Die Intelligenz wurde in die höfischen Kreise hineingezogen. Das alte Distinktionsmittel, die Ahnenprobe, spielte keine sehr entscheidende Rolle mehr als Barriere zwischen den Schichten.

Die Durchdringung bürgerlicher Kreise mit spezifisch aristokratischem Traditionsgut hatte in Frankreich ganz andere Ausmaße. Höfisches Bürgertum und höfische Aristokratie sprachen die gleiche Sprache, lasen die gleichen Bücher, hatten gleiche Manieren. Als das 'ancien régime' gesprengt wurde, als das Bürgertum zur Nation wurde, wurde vieles von dem was im Ursprunge spezifisch höfisch war zum Nationalcharakter.

Affektmodellierung, Wertschätzung der Höflichkeit, Wichtigkeit des Gutsprechens, der Konversation, Artikuliertheit der Sprache etc. bildete sich zunächst innerhalb der höfischen Gesellschaft und wird aus einem Sozial- zum Nationalcharakter (S. 44). In Frankreich war das Bürgertum bereits in ganz anderem Maße entwickelt und wohlhabend. Die aufsteigende Intelligenz hatte neben dem aristokratischen auch ein breiteres bürgerliches Bürgertum.

Hier die Paradoxie, dass in Deutschland wo die soziale Mauer zwischen Mittelstand und Aristokratie höher war, diese Spannung lange keinen politischen Ausdruck fand während die in Frankreich, wo die Standesbarrieren niedriger waren zum politischen Austrag kam (S. 45).

Das ist nur scheinbar paradox: In Frankreich früher Anteil bürgerlicher Elemente an Regierung und Verwaltung, damit eine stärkere politische Schulung und ein Denken in politischen Kategorien, während in Deutschland die Regierungsposten dem Adel vorbehalten waren (bzw. die entscheidende Rolle spielte).

In Deutschland war die gesellschaftliche Kraft des Bürgertums bis ins 19. Jh. relativ gering. Die Bürger waren abgedrängt von den meisten Schlüsselpositionen des Staates.

Der französische Zivilisationsbegriff bildete sich genau wie der entsprechende deutsche Kulturbegriff in dieser Oppositionsbewegung der zweiten Hälfte des 18. Jhs. Der Prozess seiner Bildung, seine Funktion und sein Sinn sind verschieden von denen des deutschen Begriffes. So verschieden wie die Verhältnisse und das Verhalten der Mittelschichten hier und dort. Der 'homme civilisé' als Spielart des Menschentyps, der das eigentliche Ideal der höfischen Gesellschaft darstellte, des 'honnet homme'.
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Quelle: Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation, Erstmals veröffentlicht 1936, Francke Verlag: 1969 2. Auflage,Suhrkamp:1976 1. Auflage,19. Auflage 1995
Exzerpt: transitenator
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Funktion der Charakterisierung des Selbstbewusstseins der europäischen Oberschicht gegenüber anderen. Der Zivilisationsbegriff als die Inkarnation des höfischen Selbstbewusstseins Die Einstellung zum 'einfachen Menschen' ('Wilden') ist ein Symbol für die Einstellung eines Menschen in der inneren gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Aus dem 'homme civilise' wird ein allgemeiner Charakter der Gesellschaft: Zivilisation.

Die höfische Reform-Intelligenz Frankreichs hält sich lange Zeit im Rahmen der höfischen Tradition. Sie schließt den Gedanken in sich, man müsse an Stelle der falschen, eine echte Zivilisation setzen. Sie nimmt die höfischen Modelle auf, um sie fortzubilden und zu transformieren.

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