20070426

Verhalten im Mittelalter, Schlafen, zt-36

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Das Schlafzimmer ist zu einem der 'privatesten' und 'intimsten' Bezirke des menschlichen Lebens geworden. Wie die meisten körperlichen Verrichtungen hat sich auch das 'Schlafen' hinter die Kulissen des gesellschaftlichen Verkehrs verlagert.

Die Kleinfamilie ist als legitime Enklave übrig geblieben. Ihre sichtbaren und unsichtbaren Mauern entziehen das 'Privateste', 'Intimste', 'Tierische' im Dasein des einen Menschen den Blicken der anderen.

Im Mittelalter war es gewöhnlich, dass viele (einander fremde) Menschen in einem Raum übernachteten. Einander fremde Menschen schlafen in einem Bett. Das gilt als selbstverständlich und ist in keiner Weise anstößig. Völlig ausgezogen oder völlig angezogen.

Eventuell Verdacht wenn jemand angezogen war, dass er einen Schaden hatte. Generell größere Unbefangenheit gegenüber dem Zeigen des nackten Körpers. Manfrau sich zu Hause auszog, bevor manfrau ins Badehaus ging. Geringere Distanzierung der Individuen.

Der Anblick völliger Nacktheit war die alltägliche Regel bis ins 16. Jh. Die Menschen waren 'kindlicher'. Das zeigen die Schlaf- und Badesitten.
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Quelle: Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation, Erstmals veröffentlicht 1936, Francke Verlag: 1969 2. Auflage,Suhrkamp:1976 1. Auflage,19. Auflage 1995 Exzerpt: transitenator.
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Diese Unbefangenheit verschwindet langsam im 16. 17. u. 18. Jh. Der Ton verschärft sich. Es wird sogar peinlich Begründungen auszusprechen. Manfrau lässt das Kind nur durch das Bedrohliche des Tons fühlen, dass mit dieser Situation Gefahren verbunden sind. Der Erwachsene erklärt seine Verhaltensforderung nicht. Jede Durchbrechung der Verbote bedeutet eine Gefahr und eine Entwertung der Zurückhaltung.

Der emotionale Unterton verbindet sich mit einer moralischen Forderung, eine bedrohliche Strenge sind Reflexe der Gefahr, in die die Durchbrechung der Verbote bringt. Sie sind Symptome der Angst, die ihre eigene soziale Existenz, wie die Ordnung ihres gesellschaftlichen Lebens bedroht sehen. Eine spezielle Nachtbekleidung kam in der gleichen Zeit langsam in Gebrauch wie Gabel, oder Schnupftuch; wie die anderen 'Zivilisationsgeräte' ein Symbol der entscheidenden Wandlung.

Das Schamgefühl haftete sich an Verhaltensweisen, die bisher nicht mit solchen Gefühlen belegt waren. Die Schamgrenze rückt vor. Die Unbefangenheit schwindet. Auch die mit der manfrau Bedürfnisse vor anderer Augen verrichtet.

Mit dieser geringeren Selbstverständlichkeit, gewinnt der nackte Körper in der Kunst als Traumbild und Wunscherfüllung an Bedeutung. Er wird 'sentimentalisch' (Schiller) im Unterschied zu der vorher naiven Formung (in der Kunst).

Das Nachthemd ist repräsentativ ausgestaltet. Der Übergang vom Nachthemd zum Schlafanzug entspricht dem Schamstandard, aber Schlafen ist auch nicht mehr so wie vorher intimisiert. Das Nachthemd des 19. Jhs. musste alle Körperformen ganz verdecken. Das Intime und Private war dem gesellschaftlichen Leben besonders abgewandt und wenig durchformt. Diese Undurchgeformtheit des Intimen ist für die Gesellschaft des 19. Jhs. charakteristisch.

Ähnlich, wie in der Gestaltung des Essens, wächst kontinuierlich die Wand, die sich zwischen Mensch und Mensch erhebt, die Scheu, die Affektmauer, die durch die Konditionierung zwischen Körper und Körper errichtet wird.

Mit jemandem Fremden das Bett zu teilen ist nun peinlich. Tiefgreifende Veränderungen der zwischenmenschlichen Beziehungen und Verhaltens-weisen kommen in unserer Lebensanordnung zum Ausdruck. Es versteht sich also nicht von selbst, dass Bett und Körper psychische Gefahrenzonen so hohen Grades bilden, wie in der letzten Phase der Zivilisation (S. 230).

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