20070423

Messer Affekt, Gabel Inkarnation Emotion zt-32

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Auch das Messer in der Art seines gesellschaftlichen Gebrauchs ist Inkarnation der Seelen, ihrer veränderten Triebe, Wünsche, geschichtlicher Situationen und gesellschaftlicher Aufbaugesetze.

An die offensichtliche Gefährlichkeit des Messers heften sich Affekte. Das Messer wird zum Symbol für die verschiedenartigsten Empfindungen, die mit seinem Zweck und seiner Gestalt zusammenhängen.

Das Messer erweckt Angst oder auch Lust. Entsprechend dem Aufbau unserer Gesellschaft ist heute das gesellschaftliche Ritual seines Gebrauchs mehr durch die Unlust, die Angst, die es umgibt, als durch Lust bestimmt.

Die 'Tabus' die es umgeben, sind primär emotionaler Natur. Angst, Peinlichkeit, Schuld, Assoziationen und Emotionen verschiedenster Art übersteigern die wahrscheinliche Gefahr. Gerade das gibt solchen Verboten ihre eigentümliche Verfestigung in der Seele, ihren 'Tabu'-Charakter (S. 165).

Im Mittelalter geringe Messerverbote. Es ist das wichtigste Essgerät.
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Quelle: Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation, Erstmals veröffentlicht 1936, Francke Verlag: 1969 2. Auflage,Suhrkamp:1976 1. Auflage,19. Auflage 1995 Exzerpt: transitenator.
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Dann mit der Andeutung auf Vorsicht, die der Gebrauch des Messers nötig mache liegt nicht nur die rationale Erwägung zugrunde, sondern vor allem die Emotion, die der Anblick oder die Vorstellung des gegen das eigene Gesicht gerichteten Messers erweckt.

Es ist die allgemeine Erinnerung und Assoziation an Tod und Gefahr, der Symbolwert des Instruments, der mit der fortschreitenden Pazifizierung der Gesellschaft zum Überwiegen der Unlustgefühle über die Lustgefühle bei seinem Anblick führt.

Der Anblick eines gegen das Gesicht gerichteten Messers erweckt Angst. "Richte nicht dein Messer gegen dein Gesicht, denn darin ist viel Schrecken." Hier ist die emotionale Basis des strengen Tabus. Ein gesellschaftliches Ritual bildet sich aus dieser Gefahr, weil sich die gefährliche Geste ganz allgemein als Unlust bringend, als Todes und Gefahrensymbol im Gefühl verfestigt.

In späteren Phasen werden rationale Erklärungen für jedes Verbot mit auf den Weg gegeben.

Zu dem Verbot Fisch mit dem Messer zu essen siehe Psychoanalyse.

Dann die Tendenz eiförmige Gegenstände nicht mit dem Messer zu zerteilen (Kartoffel oder Knödel mit dem Messer zu zerschneiden), Tendenz den Gebrauch des Messers einzuschränken.

In China ist das Messer seit vielen Jahrhunderten von der Tafel verschwunden. In China bildete seit langem nicht eine Kriegerklasse sondern eine pazifizierte Beamtengesellschaft die Oberschicht (S. 169).
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Warum ist es kannibalisch, mit den Fingern zu essen?
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Es ist nicht unhygienischer, aber es ist ein peinliches Gefühl, sich die Finger schmutzig zu machen und so in Gesellschaft gesehen zu werden.

Die primäre Instanz für unsere Entscheidung zwischen 'zivilisiertem' und 'unzivilisiertem' Verhalten bei Tisch ist unser Peinlichkeitsgefühl.

Die Gabel ist nichts anderes als die Inkarnation eines bestimmten Affekt- und Peinlichkeitsstandards.

Verhaltensweisen, die im Mittelalter nicht im mindesten als peinlich empfunden wurden, werden mehr und mehr mit Unlustempfindungen belegt. Der Peinlichkeitsstandard kommt in gesellschaftlichen Verboten zum Ausdruck.

Diese Tabus sind, soweit sich sehen lässt nichts anderes als Ritual oder Institution gewordenes Unlust-, Peinlichkeits-, Angst- oder Schamgefühl, das gesellschaftlich unter ganz bestimmten Umständen heran gezüchtet worden ist und sich dann immer wieder reproduziert, weil es sich in bestimmten Umgangsformen institutionell verfestigt hat (S. 171).

Bestimmte Verhaltensweisen werden mit Verboten belegt, nicht weil sie ungesund sind, sondern weil sie zu einem peinlichen Anblick, zu peinlichen Assoziationen führen. Dann reproduzieren sie sich immer wieder von neuem, solange die Struktur der menschlichen Beziehungen sich nicht grundlegend ändert (S. 172).

Die Unlust, die von Erwachsenen gegenüber diesem Verhalten erzeugt wird, stellt sich gewohnheitsmäßig ein, ohne dass sie ein anderer Mensch auslöst.

Dem Druck und Zwang einzelner Erwachsener gesellt sich der Druck der Umwelt hinzu und von den meisten Aufwachsenden wird relativ frühzeitig vergessen oder verdrängt, dass ihre Scham und Peinlichkeitsgefühle, ihre Lust- und Unlustempfindungen durch Druck oder Zwang von außen modelliert und auf einen gewissen Standard gebracht wurden.

Es wird zu einem inneren Automatismus, der Abdruck der Gesellschaft im Inneren, das Über-Ich, das dem Einzelnen verbietet, anders als mit der Gabel zu essen.

Der gesellschaftliche Standard, in den der Einzelne zunächst von außen, durch Fremdzwang, eingepasst worden ist, reproduziert sich schließlich in ihm mehr oder weniger reibungslos durch Selbstzwang, der bis zu einem gewissen Grade arbeitet, auch wenn er es in seinem Bewusstsein nicht wünscht.

Auf diese Weise vollzieht sich also der geschichtlich-gesellschaftliche Prozess von Jahrhunderten, in dessen Verlauf der Standard der Scham- und Peinlichkeitsgefühle langsam vorrückt, im einzelnen Menschen in abgekürzter Form immer wieder (S. 174).

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