20070624

Soziogenese des Steuermonopols, Entstehung von Steuern zt-65

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Der rückblickende Betrachter kann sich kaum noch vergegenwärtigen, dass sich dieses absolutistische Königtum und dieser zentralisierte Herrschaftsapparat früher einmal ganz allmählich, als etwas Neues aus der mittelalterlichen Welt heraus hob. Der Versuch diesen Aspekt zurückzugewinnen gibt die Möglichkeit zu einem Verständnis für das, was da vor sich gegangen ist (S. 279).

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Literatur und Quellenhinweis: Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation; Band 2 Erstmals veröffentlicht 1936; Francke Verlag: 1969 2. Auflage; Suhrkamp: 1976 1. Auflage; 19. Auflage 1995; Ausgewählte Quoten, Gestaltung & Anmerkungen: Transitenator
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Die Linie der Umbildung:

Der Landbesitz einer Kriegerfamilie, ihre Verfügungsgewalt über bestimmte Böden und ihr Anspruch auf Naturalabgaben oder Dienste verschiedener Art von den Menschen, die auf diesen Böden leben, verwandelt sich mit der fortschreitenden Funktionsteilung und im Laufe vieler Ausscheidungs- oder Konkurrenzkämpfe in eine zentralisierte Verfügung über die militärischen Machtmittel und über regelmäßige Geldabgaben oder Steuern eines weit größeren Gebietes (S. 279).

Niemand darf jetzt innerhalb dieses Gebietes Waffen und Befestigungswerke benutzen oder körperliche Gewalt in irgendeiner Art anwenden, ohne die Erlaubnis des Zentralherrn; das ist etwas sehr Neues in einer Gesellschaft, in der ursprünglich eine ganze Schicht von Menschen je nach ihren Einkünften und ihrem Belieben Waffen benutzen und körperliche Gewalt anwenden konnte.

Und jedermann, von dem es der Zentralherr verlangt, ist jetzt gehalten, regelmäßig einen bestimmten Teil seiner Geldeinahmen oder seines Geldbesitzes an den Zentralherrn abzuführen. Das ist erst recht etwas Neues, gemessen an dem, was ursprünglich in der mittelalterlichen Gesellschaft Brauch ist.

In der vorwiegend natural wirtschaftenden Gesellschaft empfindet man das als etwas vollkommen Unerhörtes; man steht zu solchen Maßnahmen nicht sehr viel anders als zu Raubzügen oder zum Nehmen von Zins (S. 280). Zunächst waren wahrscheinlich kirchliche Institute wegen ihres großen Geldbesitzes von solchen Maßnahmen betroffen.

Immer wieder werden Zwangsabgaben verlangt. Die Geldabgaben, die die Könige verlangen, bedeuten in dieser relativ geldarmen Gesellschaft in der Tat etwas anderes als die Steuern in einer stärker kommerzialisierten Gesellschaft.

Niemand rechnete mit ihnen, der Marktverkehr und das ganze Preisniveau ist in keiner Weise auf sie eingestellt; sie kommen gewissermaßen aus heiterem Himmel als etwas Außergewöhnliches und Unerwartetes und führen dementsprechend zum Ruin einer ganzen Reihe von Existenzen (S. 281) und zu heftigen Erregungen.

Die allgemeine Vorstellung, auch der Könige selbst ist, dass die Territorialherren sich von ihrem Dominialbesitz erhalten müssen. Jeder Territorialherr verlangt bestimmte Abgaben, wenn sein Sohn zum Ritter geschlagen wird, seine Tochter heiratet, braucht Lösegeld bei Gefangenschaft.
Das sind die ursprünglichen feudalen Geldbeihilfen die 'aides féodales' und die Könige verlangen diese ebenfalls. Geldforderungen darüber hinaus haben keine Grundlage im Brauch; sie haben ein ähnliches Ansehen wie Raub und Erpressung (S. 282).

Im 12. u. 13. Jahrhundert beginnt sich langsam eine weitere Form der fürstlichen Geldbeschaffung einzubürgern. Die Städte wachsen. Die Bürger haben sich mit der Waffe ihre Stadtfreiheit erkämpft. Nun kommt der Brauch auf, auch die Stadtbewohner, die 'Bourgeois', zu Kriegsdiensten heranzuziehen.

Die Stadtbewohner ziehen es aber bald vor, dem Territorialherren statt der Kriegsdienste Geld anzubieten, damit er sich Krieger mieten kann. Sie kommerzialisieren die Kriegsdienste und Königen wie Feudalherren ist das nicht unwillkommen. So wird aus diesen städtischen Geldzahlungen zur Ablösung der Kriegsdienste ziemlich rasch ein fester Brauch oder eine Institution.

Dieser Brauch wird als eine weitere Form der feudalen Beihilfe verstanden. Diese gelegentlichen Geldabgaben zahlt niemand, der sich nicht mittelbar oder unmittelbar dazu gezwungen fühlt. Die Könige können und wollen nicht allzu starken Widerstand erregen, dazu ist die gesellschaftliche Stärke der Königsfunktion noch nicht groß genug. Auf der anderen Seite brauchen sie für Konkurrenzkämpfe, für ihre Funktion, ihre Selbstbehauptung immer wieder Geldbeträge, immer größere Geldbeträge, die sie sich nur durch solche 'Beihilfen' beschaffen können. Ihre Maßnahmen wechseln.

Manfrau spürt bei allem Hin und Her dass die gesellschaftliche Stärke des Königtums ständig im Wachsen ist, und mit diesem Wachstum bekommen die Geldabgaben allmählich einen anderen Charakter (S. 284).

1292 wird eine Abgabe von 1 Denier für jedes Pfund verkaufter Waren vom König verlangt, in den nächsten Jahren erhöht. Die Feudalherren sind höchst empört. Die Krieger fühlen sich in ihrer Existenz bedroht. 1314 kommt es zu offenem Widerstand (der König brauchte Geld für einen Flandernfeldzug).

Die Adligen und Nichtadligen schlossen sich durch einen Eid zur Aufrechterhaltung ihrer Freiheiten und der des Vaterlandes zusammen. Die Erregung ist so groß, dass sich Städte und Feudalherren gegen den König verbinden.

Hier kann manfrau den Grad der Interessenverschiedenheit messen, die Stärke der Spannung die hier besteht. Die Einigkeit der Stände hält nicht lange, weil wechselseitiges Misstrauen.
Erschütterungen im Innern des Herrschaftsgebietes sind nicht ohne Gefahr für die Führung des Konkurrenzkampfes mit den äußeren Rivalen (S. 286).

Im Laufe des hundertjährigen Krieges wird der Krieg zu einer Dauererscheinung und mit ihm werden es die Geldabgaben, die der Zentralherr zu seiner Führung braucht.

Die Könige selbst haben nicht eigentlich die allgemeine Absicht 'ihre Steuermacht zu vergrößern', sie wollen von Fall zu Fall möglichst viel Geld aus ihrem Herrschaftsgebiet herausholen, es sind bestimmte Aufgaben, die sie drängen.

Kein einzelner Mensch hat die Steuern oder das Steuermonopol geschaffen; kein einzelner und auch keine Reihe von einzelnen durch die Jahrhunderte hat nach einem festgelegten Plan auf dieses Ziel hingearbeitet.

Die Steuern, wie jede andere Institution, ist ein Produkt der gesellschaftlichen Verflechtung. Sie entstehen aus dem Ringen der verschiedenen sozialen Gruppen und Interessen bis schließlich, mehr oder weniger spät, das Instrument, das sich da in einem ständigen Erproben der gesellschaftlichen Stärkeverhältnisse entwickelt hat, von den Interessierten immer bewusster und planmäßiger zu einer festgefügten Organisation oder Institution ausgebaut wird.

Auf diese Weise verwandeln sich die gelegentlichen Beihilfen an den Guts- oder Territorialherren (für einen bestimmten Kriegszug oder als Lösegeld, oder Ausstattung oder..) in regelmäßige Geldabgaben. Es gibt nun nach 1328 eine ganze Reihe von 'Experimenten' vorübergehende Beihilfen einzuziehen.

Dieser Zustrom von Geldern in die Kasse des Königs führt langsam aber sicher zu einer außerordentlichen Stärkung der Zentralfunktion. Jeder der Stände stemmt sich dagegen. Aber die Vielspältigkeit der Interessen schwächt diesen Widerstand.
Die Bedrohung von außen macht diese noch wenig interdependente, wenig einheitliche Gesellschaft auf den König, als obersten Koordinator und auf seinen Herrschaftsapparat angewiesen. Jahr für Jahr immer wieder neue 'außerordentliche Beihilfen' für den Krieg, der nicht endet (S. 289).

Nun vollzieht sich schon eine gewisse Anpassung des Marktverkehrs an solche Abgaben. In dieser Zeit des hundertjährigen Krieges, in der die 'Aides' langsam zu Dauererscheinungen werden, bilden sich auch spezielle Amtsfunktionen (zwei oberste Verwalter) heraus, die dem Einziehen und der damit verbundenen Gerichtsbarkeit (gerichtlichen Fragen) gewidmet sind.

Das ist die erste Erscheinung dessen, was später durch das ganze 'ancien régime' hin eines der wichtigsten Organe der Steuerverwaltung bleibt (Chambre oder Cour des Aides). Hier in den Jahren 1370-1380 ist sie noch im Prozess der Bildung.

Jedesmal, wenn das Königtum sich unter dem Widerstand von Bevölkerungsteilen einschränken muss, treten auch diese Amtsfunktionen zurück. Ihr Bestand und die Kurve ihres Wachstums ist ein ziemlich genauer Gradmesser für die gesellschaftliche Stärke der Zentralfunktion und des Zentralapparates im Verhältnis zu Adel, Klerus und den städtischen Schichten (S. 291).
Die Not wächst im Stillen; mit ihr auch die Unzufriedenheit.

Selbst für den König haben die Abgaben noch den Geruch des Unberechtigten und führen zu Gewissensbissen. 1380 revoltieren die Städte, die Königsbeamten die 'aides' einziehen werden verjagt. Das Finanzsystem wird geopfert.

Es spricht für die gesellschaftliche Stärke, die der Zentralapparat und die Königsfunktion in dieser Zeit tatsächlich schon besitzt, dass die verlorene Position verhältnismäßig schnell wieder gewonnen wird.
Die Chancen, die sich bei diesem Aufbau und bei dieser Lage der französischen Gesellschaft mit der Königsfunktion verbinden, sind bereits so groß, dass das Königtum an gesellschaftlicher Stärke zunehmen kann, selbst wenn der König persönlich schwach oder ganz unbedeutend ist.

Die Angwiesenheit der Gruppen und der Schichten dieser Gesellschaft auf einen obersten Koordinator wächst mit ihrer Interdependenz und sie wächst erst recht unter dem Druck einer Kriegsgefahr. Und so liefern sie dem König bald wieder die Mittel, die zur Kriegsführung notwendig sind; aber sie liefern damit zugleich auch dem Königtum die Mittel zu ihrer eigenen Beherrschung (S. 293).

1382 ist das Königtum wieder in der Lage den Städten, den Hauptzentren des Widerstandes, die Abgaben, die es für nötig hält zu diktieren. Die Frage der Abgaben steht im Zentrum der städtischen Aufstandsbewegung des Jahres 1382.

Im Kampf um die Abgaben und die Verteilung der Lasten wird die ganze Macht- und Herrschaftsverteilung erprobt und entschieden. Die städtischen Notabeln haben das Ziel sich die Mitbestimmung bei der Erhebung und Verteilung der Abgaben von einem zentralen Punkt aus zu sichern. In den Städten selbst gehen die Interessen der verschiedenen Schichten bei aller Verflechtung sehr in verschiedene Richtungen.

Es gibt eine privilegierte Oberschicht (eigentliche Bourgeoisie in städtischen Ämtern), eine Mittelschicht (Kleinbürgertum, Handwerker, Gewerbetreibende) und die Masse der Gesellen und Arbeiter (das 'Volk').

Auch hier bilden die Steuern den Knotenpunkt an dem Gegensätze deutlich zutage treten. Der Aufruhr ist den Oberen zuerst nicht unwillkommen, richtet sich aber dann gegen die Begüterten der Stadt selbst. Die städtische Oberschicht flieht und das Eintreffen der königlichen Truppen bedeutet meistens die Rettung.

Diese Kämpfe enden mit einer weiteren Gewichtsverschiebung zugunsten des Zentralapparates und des Königtums. Die Haupträdelsführer werden getötet, andere mit Geldstrafen bestraft.
Den Städten als Ganzes werden hohe Geldabgaben auferlegt, die festen Königsburgen verstärkt und von 'gens d'armes' besetzt und die städtischen Freiheiten werden beschränkt.
Die lokalen Stadtverwaltungen werden langsam königlichen Beamten unterstellt, bis auch sie im wesentlichen Organe des königlichen Herrschaftsapparates sind; damit reicht die Stufenleiter des zentralen Herrschaftsapparates, deren Stelleninhaber die Spitzengruppe des Bürgertums bilden, von den Ministerposten und den höchsten Gerichtsämtern bis zu den Stellen der Bürger- und Zunftmeister.
Die Frage der Abgaben ist entschieden, sie werden nun von der Zentrale diktiert.

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