Geschichtsbetrachtung Verflechtung zt-54
Tweet this!Im Rückblick erscheint der Zusammenschluss eines Gebietes von der Größe Frankreichs als etwas Selbstverständliches und Zweckmäßiges, dass man es unwillkürlich als etwas bewusst Geplantes betrachtet.
Dementsprechend werden dann auch einzelne Aktionen auf ihre Sinnhaltigkeit oder Zweckmäßigkeit bewertet. Aber durch solche Zensuren verdeckt manfrau sich den Zugang zu den elementaren Bildungsgesetzlichkeiten und Mechanismen, zur wirklichen Strukturgeschichte und Soziogenese der historischen Gebilde.
Diese Gebilde entwickeln sich immer im Kampf, in der Auseinandersetzung ambivalenter Interessen (S. 219).
So ist die vollendete Integration des westfränkischen Gebietes das Resultat einer Reihe von Ausscheidungskämpfen und nicht Resultat einer prophetischen Vision (oder Verschwörung).
Bei den Risiken aller Kämpfe war es ungewiss wo die Zentren und ihre Grenzen lagen. Man könnte von den französischen Königen sagen: "He didn't want all the land; he just wanted the land next to his" (amerik. Pionier). Auch die Könige sahen klar immer nur die nächsten Schritte.
Aus der Verflechtung von unzähligen individuellen Interessen und Absichten entsteht etwas, das so wie es ist, von keinem Einzelnen geplant oder beabsichtigt worden ist, und das doch zugleich aus Absichten und Aktionen vieler Einzelner hervorging.
Und das ist eigentlich das ganze Geheimnis der gesellschaftlichen Verflechtung, ihrer Zwangsläufigkeit, ihrer Aufbaugesetzlichkeit, ihrer Struktur, ihres Prozesscharakters und ihrer Entwicklung; dies ist das Geheimnis der Soziogenese und der Beziehungsdynamik (S. 221).
Nochmals: Aus der Verflechtung vieler, individueller Interessen, Pläne und Aktionen ergab sich eine Entwicklungsrichtung, eine Gesetzmäßigkeit des Ganzen der verflochtenen Menschen, die kein Einzelner bezweckt hatte, und ein Gebilde das keiner der Agierenden eigentlich geplant hatte, ein Staat: Frankreich.
Gerade darum bedarf ein Gebilde dieser Art zu seinem Verständnis des Durchbruchs in eine noch wenig bekannte Wirklichkeitsebene; in die Ebene der eigen gesetzlichen Beziehungen, ins Feld der Beziehungsdynamik (S. 221).
Literatur und Quellenhinweis:
Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation
Band 2 Erstmals veröffentlicht 1936
Francke Verlag: 1969 2. Auflage
Suhrkamp: 1976 1. Auflage
19. Auflage 1995
Ausgewählte Quoten und Gestaltung: Transitenator
-o-o-o-
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen