Apanage Dauphine Feudalität Krieg zt-52
Tweet this!Neue Stärkung der zentrifugalen Kräfte:
Der Konkurrenzkreis der Prinzen
Die Bildung des Herrschaftsmonopols vollzieht sich nicht so geradlinig (wie es bei der Betrachtung der Bodenakkumulation erscheint).
Je größer der Landbesitz, desto stärker wird die Tendenz zur Dezentralisierung.
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Literatur und Quellenhinweis:
Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation
Band 2 Erstmals veröffentlicht 1936
Francke Verlag: 1969 2. Auflage
Suhrkamp: 1976 1. Auflage
19. Auflage 1995
Ausgewählte Quoten und Gestaltung: Transitenator
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Literatur und Quellenhinweis:
Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation
Band 2 Erstmals veröffentlicht 1936
Francke Verlag: 1969 2. Auflage
Suhrkamp: 1976 1. Auflage
19. Auflage 1995
Ausgewählte Quoten und Gestaltung: Transitenator
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Nun verändert sich die Spielweise der dezentralisierenden gesellschaftlichen Kräfte.
Geld und Handwerk spielen in der Gesellschaft eine erheblich größere Rolle als damals. Jetzt hat das Bürgertum ein eigenes soziales Gewicht bekommen; die Verkehrsmittel haben sich entwickelt.
Alles das bietet der Herrschaftsorganisation eines größeren Gebietes Chancen, die früher gefehlt haben. Ein wachsender Teil der Helfer und Diener des Zentralherren stammt nun überdies aus städtischen Schichten (S. 180).
Nun stellen die nächsten Angehörigen des Zentralherren eine bedeutende Bedrohung dar. Dies sind nun die Hauptexponenten der Dezentralisation.
Herrschaftsgebiet und Herrschaftsmonopol sind ein Familieneigentum und alle nächsten Angehörigen erheben einen Anspruch zum mindesten auf Teile dieses Besitzes.
Zentrifugaler Prozess --> Desintegrationsschub.
Es gibt noch kein allgemeines oder übergreifendes 'Recht', denn es gibt noch keine übergreifende Macht, die ein solches Recht durchsetzen kann. (Erst im Zusammenhang mit der Bildung von Gewaltmonopolen, mit der Zentralisierung der Herrschaftsfunktionen setzt sich ein allgemeineres Recht, ein gemeinsamer Rechtscode für große Gebiete durch).
Die Kinder auszustatten ist eine gesellschaftliche Verpflichtung, ein Brauch. Mit ihm verbindet sich ein hoher Prestigewert begüterter Familien. Es ist da der Impuls die Söhne und Töchter zu versorgen, für eine standesgemäße Ausstattung zu sorgen zur Erhaltung des sozialen Standards und zur Vergrößerung der Chancen für die Macht und die Dauer des Hauses.
Aber diese Abtrennung von Besitzungen und Herrschaftsfunktionen zugunsten von Familienangehörigen gefährdet sehr oft die Macht und die Dauer des Hauses. (Erst Ludwig XIV. hielt alle seine Angehörigen von jeder Herrschaftsfunktion und Machtposition fern).
Das Besitztum der Königsfamilie hat sehr stark den Charakter eines kleinen Familienunternehmens. Gebiete werden als Apanagen an die jüngeren Kinder der Könige gegeben (Kapetinger). Ein 'Dauphine' ist der Thronfolger.
Das Faktum der Apanagierungen zeigt bis zu welchem Grad die französische Territorialmacht auch noch im 14. Jahrhundert noch immer den Charakter eines Familienunternehmens hat.
Was der Konkurrenzsituation innerhalb des westfränkischen Nachfolgegebietes den besonderen Charakter gibt ist die Tatsache, dass beinahe alle, die daran teil haben, Abkömmlinge des Kapetingerhauses selbst sind.
Es sind Apaganierte und ihre Nachkommen, die sich nun als Konkurrenten oder Rivalen gegenüberstehen. Sie sind die Akteure erster Ordnung.
Noch einmal vollzieht sich einer jener Desintegrationsschübe, wie sie Jahrhunderte früher zur Desintegration der Karolingerherrschaft, dann zur feudalen Gesellschaftsordnung des 12. Jahrhunderts hinführten.
Apaganierte, werden zu Konkurrenten eines geschwächten Zentralhauses. Der Konkurrenzkampf ist jetzt auf wenige Abkömmlinge des ursprünglichen Zentralhauses selbst beschränkt. Das ist ein Anzeichen dafür, wie weit dieses Menschengeflecht mindestens in seinem agrarischen Sektor, bereits zu einem System mit geschlossenen Chancen geworden ist (S. 194).
Die Hauptpersonen des Vormachtskampfes unter den Königsverwandten wechseln zuweilen, aber, wie auch die Personen wechseln, die Verflechtungszwänge, die sie treiben, bleiben die gleichen.
Diese Konkurrenzkämpfe zwischen den Königsverwandten aber verflechten sich notwendigerweise zugleich in die größere Auseinandersetzung dieser Zeit, die noch nicht zur Entscheidung gekommen ist, in die Auseinandersetzung mit den Plantagenets (dort analoge Mechanismen und ähnliche Auseinandersetzungen). Ein Anspruch mag schlechter oder besser sein, Sieger ist der Stärkere.
Wie ehemals die Ausscheidungs- oder Vormachtkämpfe innerhalb der breiten, nachkarolingischen Feudalität, so drängen nun analoge Spannungen von neuem Einzelne aus dem weit beschränkteren Konkurrenzkreis der großen kapetingischen Territorialherren zur Ausdehnung ihres Gebietes.
Aber als Mittel der Expansion spielen jetzt Heirat, Erbschaft und Kauf mindestens eine ebenso wichtige Rolle, wie Kriege und Fehden. Nicht nur Habsburg heiratet sich groß.
In dieser Phase haben sich die Konkurrenzmöglichkeiten bereits verringert und der Aufbau der Spannungen zwischen den Menschen drängt zur Bildung von Herrschaftsmonopolen für Gebiete einer höheren Größenordnung hin (S. 198).
Den hundertjährigen Krieg muss manfrau so betrachten: Als eine der unvermeidlichen Entladungen innerhalb einer spannungsreichen Gesellschaft von Territorialbesitzungen bestimmter Größenordnung, als Konkurrenz- oder Vormachtskämpfe rivalisierender Häuser innerhalb eines interdependenten Systems von Herrschaftseinheiten mit sehr labilem Gleichgewicht.
Die Häuser von Paris und von London konkurrieren um die Vormacht in dem gleichen Gebiet. Dann gibt es Spannungen innerhalb dieser Gebiete, vor allem Spannungen zwischen den verschiedenen Zweigen des Pariser Hauses selbst, kristallisieren sich an diese Hauptspannung des ganzen Territorialsystems an.
Wachstum der Funktionsteilung und der überlokalen Interdependenz. In dieser Zeit beginnen auch schon Interdependenzen und Verschiebungen des territorialen Gleichgewichts über den größeren Raum des ganzen westlichen Europas hin spürbar zu werden (S. 200). Im hundertjährigen Krieg tritt diese wachsende Interdependenz über größere Räume hin schon deutlich in Erscheinung.
Es kündigt sich hier bereits an, was wenige Jahrhunderte später, im 30 - jährigen Krieg, schon weit ausgeprägter in Erscheinung tritt:
Der Erdteil Europa als Ganzes beginnt ein interdependentes Ländersystem mit einer eigenen Gleich- und Schwergewichtsdynamik zu werden, innerhalb dessen jede Stärkeverschiebung mittelbar oder unmittelbar jede einzelne Einheit, jedes Land, in Mitleidenschaft zieht.
Im 1.Weltkrieg kündigt sich an, wie die Spannungen und Gleichgewichtsverschiebungen im Zuge der gleichen Transformation, der immer weiter wachsenden Verflechtung, nun schon Herrschaftseinheiten über einen noch größeren Raum, Länder über weite Teile der Erde hin affizieren.
Art und Stufen der Monopolbildung, auf die Spannungen einer solchen Weltverflechtung hinsteuern.
Erscheint das schon am Horizont unseres Bewusstseins?
Die Londoner Herrschaft wurde auf das Inselreich beschränkt und das Haus von Paris wurde Kristallisationszentrum.
Der hundertjährige Krieg hat aber zunächst eine Desintegrierung zur Folge. Den französischen Königen ist der Herrschaftsanspruch auf das Inselreich endgültig entglitten und die englischen Könige scheiden aus dem festländischen Spiel um die Vormacht und um die französische Krone aus.
Ähnliches vollzieht sich später zwischen Preußen und Österreich. Hier wie dort wird durch eine Desintegration die Integration auf ein kleineres Gebiet beschränkt und damit in hohem Maße erleichtert (S. 202).
In Frankreich verlagern sich die Spannungen und die Balance innerhalb des Gebietes selbst. Mit dem Ausscheiden der Engländer wird die Rivalität zwischen den verschiedenen Zweigen des Kapetingerhauses selbst zur beherrschenden Spannung.
Es ist noch nicht entschieden am Ausgang des hundertjährigen Krieges durch welchen dieser Zweige die Integration vollzogen wird. Acht große Häuser, alles Abkömmlinge und Verwandte von Apanagierten, also Abzweigungen des Kapetingerhauses.
Die seigneuriale, die nach-karolingische Feudalität hat sich, wie manfrau es ausgedrückt hat, zu einer 'prinzlichen', einer kapetingischen Feudalität 'kontrahiert' (S. 203). Ein einzelnes Haus ist als Sieger hervorgegangen (die Kapetinger) und nun streiten sich die verschiedenen Zweige der Familie um die Vormacht.
Hier und jetzt nach dem hundertjährigen Krieg haben wir noch nicht eine vollkommene Konzentrierung oder Zentralisierung der herrschaftlichen Verfügungsgewalt.
Hier sind wir erst auf einer Stufe auf dem Weg zum absoluten Monopol. Es ist ein Zustand stark beschränkter Konkurrenz. Wer nicht zur Familie gehört, hat so gut wie keine Chance (S. 204).
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