20070607

Bürgergesellschaft Politik mit Enthusiasmus sk-46

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Dahrendorf: Das Thema der Bürgergesellschaft sprengt alle Grenzen. Es ist so reichhaltig und bunt wie die Lebenswirklichkeit selbst.
Menschen leben in wirklichen Situationen und nicht nach der Tagesordnung der Politik, nicht einmal nach der der Politik der Freiheit. Sie wollen etwas wissen über die Werte, an die sie sich halten können.

Freiheit im elementaren Sinn ist ein solcher Wert. Sie ist das simple Verlangen, nicht eingesperrt zu sein. Wer die Freiheit liebt, will jedes Gehäuse der Hörigkeit aufbrechen, sei es das der Bürokratie oder das eines Gefangenenlagers.

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Hinweis auf Quelle bzw. verwendete Literatur:
Der moderne soziale Konflikt von Ralf Dahrendorf,
Stuttgart 1992 (1), München 1994, dtv Taschenbuch,
Textauswahl für dieses Blog: Transitenator
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Die Politik temperiert ja entfremdet dieses Verlangen indem sie es in eine eigene institutionelle Sprache übersetzt und verliert dabei den Enthusiasmus der vor allem jungen Menschen.
Die politische Theorie hat diesen Enthusiasmus erst gar nicht gewonnen.

Wie weckt manfrau Begeisterung?

Wofür lohnt es sich zu kämpfen oder auch nur ganz schlicht zu leben? Junge Menschen sind ungeduldig geworden. Vorbei ist die Zeit der aufgeschobenen Befriedigung, des Sparens und Wartens.


Zwei Lebensweisen scheinen einen besonderen Reiz auf junge Menschen auszuüben, zwei Obsessionen, ja Formen der Sucht.
Aufstieg oder Ausstieg.

Die Sucht nach Geld (Kasino-Kapitalismus, Susan Strange). Geld als Maßstab für Erfolg. Die andere Sucht ist weniger lukrativ als teuer. Eine Konvergenz der Kultur der Unterklasse und der so genannten Gegenkultur der Mittelklasse. Beide als Proteste gegen die bürokratisierte Welt der Mehrheitsklasse.

Auch der Kasino-Kapitalismus ist eine Variante derselben Haltung: Die Ablehnung einer langweiligen, unveränderlich scheinenden Realität mit ihren stickigen Werten und Lebensstilen ist der gemeinsame Nenner der bevorzugten Optionen mancher Junger. Das Problem ihrer eigenen Werte liegt darin, dass diese im Kern negativ sind.
Der Abstand zur etablierten Welt soll deutlich gemacht werden. Es ist eine seltsame Sackgasse. Junge Menschen fühlen sich im Gehäuse bürokratischer Hörigkeit verloren. Sie suchen nach Bindungen. Die deutschen Grünen waren Partei und Familie mit allen dazugehörigen Familienstreitereien. Das gibt Menschen ein warmes Gefühl der Zugehörigkeit.

Warum aber sich lustig machen, über die, die immerhin versuchen etwas anderes zu machen. Was ist so reizvoll am berechenbaren Leben des Bankbeamten, der heiratet und befördert wird und sich scheiden lässt und befördert wird und ... seinen Job verliert, weil ein Jüngling weniger Personalkosten verursacht und damit der Gewinn verdoppelt wird (S. 276). Er verfällt dem Trunk oder einer anderen Sucht und gibt seinen Kindern wenig Anreiz und Vorbild in seine Fußstapfen zu treten.

Es kommt darauf an, ein Leben zu finden, das weder Bürokratie noch Sucht heißt. Nein, schaffen muss manfrau ein solches Leben. Junge Menschen müssen etwas tun, das Bedeutung hat.

Bedeutung hat zwei Aspekte.
Was Menschen tun muss Spaß machen, und es muss wichtig sein.

Spaß, als Kürzel für eine persönliche Erfahrung, das Vergnügen finden an dem was manfrau tut und dabei gelegentlich das gute Gefühl der Befriedigung erleben. Im Idealfall bringt das Berufstätigkeit. Erfolg macht Spaß. Erfolg lässt sich auf mancherlei Weise messen. Ein bisschen Geduld ist nicht nur nützlich, sondern gehört zu den meisten Erfolgsgeschichten.

Interessante Menschen zu treffen macht Vergnügen. Arbeit selbst kann Befriedigung vermitteln. Mit dem karrierebedingten Lebensplan ist etwas schief gelaufen.
Dahrendorf meint, dass Spaß wichtiger ist als eine Karriere. Diese Art von Lebensgang habe für viele den Reiz verloren. Sie hat übrigens unter anderem der Schul- und Hochschulausbildung jeden Spaß geraubt, denn in dieser sollte es um Fertigkeiten und Kenntnisse und schöpferische Fähigkeiten und freies Denken gehen und nicht in erster Linie um Karrieren. Vergnügen am eigenen Tun sollte also früh beginnen (S. 277).

Kern von Dahrendorfs Schlußwort ist es, aus der Zwangsjacke des Karrieredenkens auszubrechen und andere Erfolgsmaßstäbe zu suchen.

Spaß ist deren eine Hälfte, aber die andere ist, dass das, was manfrau tut, wichtig sein muss.

Spaß ist ein persönliches Empfinden des Vergnügens. Was wichtig ist, wird ebenso sehr von anderen entschieden. Es definiert die Bedeutung von Dingen. Es unterscheidet Sucht von Tätigkeit.

Vieles Wichtige ist verknüpft mit der Gerechtigkeit oder vielmehr mit der Linderung der Ungerechtigkeit in der Welt. Manche wollen abstrakt mit Flugblättern kämpfen andere konkret die kleine Kerze anzünden, statt die Dunkelheit zu verfluchen. Arbeit, die direkt oder indirekt das Los anderer Menschen verbessert. Geschickte Sinn-Unternehmer haben sich an dem Verlangen von Menschen bereichert in einer zusammenhanglosen Welt Ligaturen zu finden. Quasi kirchliche Organisationen. Die Wiederkehr des Heiligen. Handlungsreisende falscher Götter.

Dahrendorfs Rat für die Zukunft: Um des Himmels willen, tut etwas!
Tut etwas das Bedeutung hat, weil es Spaß macht und wichtig ist für andere. Es gibt genug zu tun in dieser unvollkommenen Welt.

Etwas tun, heißt selbst etwas zu tun, in freier Assoziation mit anderen. Es führt auch zur Bürgergesellschaft. Sie ist das Medium des Lebens mit Sinn und Bedeutung, der erfüllten Freiheit. Aber sie erfordert einen Rahmen politischer Voraussetzungen.

Manfrau kann schwerlich Dinge tun, die Spaß machen und die wichtig sind, wenn manfrau im Zirkel sozialer Benachteiligungen gefangen bleibt oder in einer Umwelt lebt, in der eine Person oder Partei oder Instanz sich die Macht angemaßt hat, andere herum zu schubsen.

Dahrendorf sagt nicht, dass politische Teilnahme ein Wert an sich oder eine mit dem Bürgerstatus verbundene Verpflichtung ist. Das Bild der Politik, das seinem Essay zugrunde liegt und das er mit Hilfe von Max Weber erläutert hat, ist nicht das einer Gesellschaft von Aktivisten und ständiger politischer Diskussion, sondern eines von wachen Bürgern.

Die Richtung des Wandels war das Hauptthema von Dahrendorfs Essay. In manchen Zeiten verlangen strategische Veränderungen nach einer stärkeren Betonung des Angebots, in anderen fordern sie größere Anrechte.

Für den Liberalen zielen die bevorzugten Reformen stets auf beide. Die kritischen Punkte einer Politik der Freiheit sind die, an denen zugleich mehr Chancen angeboten werden und mehr Menschen an ihnen Anteil haben. Das ist niemals selbstverständlich.

Es verlangt, dass noch zu dem Zeitpunkt, zu dem Steuern gesenkt und Anreize für die Unternehmens lustigen geboten werden, das Bewusstsein für unerträgliche Ungleichheiten wach bleibt, so wie das Bewusstsein für offene Wahlmöglichkeiten nicht erstickt werden darf durch die Absicht, Privilegien zu brechen, um Unterprivilegierte zu emanzipieren. Das Martina-Paradox von Zugang und Verfügbarkeit ist eine Herausforderung und kein unausweichliches Schicksal.

Was aber inspiriert strategische Reformen?

Kants Vision kann als Modell gelten, Max Weber blieb im Tiefsten trübsinnig, Raymond Aron erlaubte sich seltene spekulative Höhenflüge und empfahl Handeln statt Träumen. Marxs kommunistische Gesellschaft, Dills stationärer Zustand?

Angebote sind unvollkommenere Lebenschancen ohne Anrechte, und zu Lebenschancen gehört immer auch jenes schwerer fassbare Element der Ligaturen.
Selbst dann sind sie indes Chancen; unser Leben ist das, was wir aus ihnen machen.
Bürgerschaft und Volkswohlstand sind die Bedingungen für Tätigkeit und Sinn.
Den Elan zur Verbesserung der Dinge wach halten!

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