20070503

Wirtschaft Wachstum Verteilung sk-22

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Nach dem zweiten Weltkrieg ging es in den 30 darauf folgenden Jahren zunehmend um Konsum und um sozialen Aufstieg. Die Angebotsseite des Lebens trat in den Vordergrund.

Raymond Aron (geb. 1897?) war Franzose und Jude und widerstand den Versuchungen des Totalitarismus. Er schrieb ein einflussreiches Buch über 'Max Weber und die deutsche Soziologie'.

Aron erlebte die beiden 30-Jahres Perioden (Anmerkung: 1915-1945, 1945-1975) des Jahrhunderts und beschrieb sie für die Zeitgenossen. Er sprach von einer Ära der Tyrannei, wobei er das Band des Totalitarismus betonte (im Hitler-Stalin-Pakt) Sein Biograph unterscheidet zwischen dem 'Philosophen in der Geschichte' (1905-1955, seine Bücher schildern Ereignisse der Geschichte) und dem 'Soziologen in der Gesellschaft' (1955-1983, seine Bücher schildern sein Leben in der Geschichte) (S. 145). -o-o-o
Quelle: Der moderne soziale Konflikt von Ralf Dahrendorf, Stuttgart 1992 (1), München 1994, dtv Taschenbuch, Exzerpt: transitenator
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Arons erste 40 Jahre sind von der Zeit geprägt worden und er hat nachhaltig über die Ereignisse um ihn nachgedacht. Erst nach dem zweiten Weltkrieg konzentrierte er sich auf die Gesellschaft als Prozess, der rationales Verstehen erlaubt.
1955/56 in seinen '18 Vorlesungen über die industrielle Gesellschaft' spiegelt er die Stimmung seiner Zeit und erzählt die Geschichte eines ständig wachsenden Angebots durch jene wirtschaftliche Expansion, die das beherrschende Merkmal der Zeit von den späten 1940ern bis zur Mitte der 1970er Jahre war.

Wachstum war keine neue Erfahrung. Die Geschichte der Modernität ist durchweg die Geschichte eines immer zunehmenden Angebots.

Schon Erasmus stellte das im 16. Jahrhundert fest: "Heutzutage hat die Besitzgier sich so gesteigert, dass es nichts mehr im Reich der Natur gibt, sei es heilig oder profan, aus dem sich nicht Gewinn schlagen lässt " (S. 145).

Auch das Zeitalter der Entdeckungen war eines der Ausweitung des Handels die wiederum zur frühen Blüte des Bankwesens führte. Leonardo da Vinci als Vorreiter der Erfindungen und Innovationen. Neue Unternehmensarten wurden begründet, mit Besitzanteilen für viele. Die Produktivität der Landwirtschaft nahm zu.

Die industrielle Revolution bezeichnet den Anfang einer Phase des demokratischen Wachstums. Sie ist daher ein Beispiel für die Konflikte und Konfigurationen von Angebot und Anrechten.

Üblicherweise wird die Geschichte nur als eine des Angebots erzählt. Walt Rostow fügte Zahlen zusammen: Der Handel hat sich seit 1720 um das 500fache vermehrt. Die Quantität der Welt-Industrieproduktion hat sich in der Zeit von 1820 bis 1971 um das 1740-fache vermehrt (jährliche Wachstumsrate von 2,84%).

Diese Zahlen sind niedrig im Vergleich zu den Entwicklungen nach dem zweiten Weltkrieg. Dies war die Zeit in der Wachstum alle Fragen zu beantworten schien. Wachstum wurde nicht nur ein universelles Glaubensbekenntnis, sondern auch eine in Individuen und Institutionen verwurzelte Annahme.

Die erste Antwort war 'mehr' und nicht 'anders'. Dabei die Annahme, dass mehr zumindest prinzipiell mehr für alle hieß.

Simon Kuznets erkundete als erster die Gesetzmäßigkeiten des Verhältnisses von Wirtschaftswachstum und Ungleichheit: im Verlauf des modernen Wirtschaftswachstums steigen Ungleichheiten in der Verteilung zuerst an, dann Nivellierungseffekt, dann Umkehr der Entwicklung.
Manfrau sprach von U-förmiger Beziehung (Indizes der Gleichheit fallen um wieder anzusteigen).
Peter Berger fand das bestätigt und meinte, dass die Hauptursachen dieses Prozesses technologisch und demographisch, aber nicht sozial und politisch bedingt sind. Das sind Thesen von Ökonomen die Ungleichheiten des Einkommens messen und nicht Anrechtsschwellen.

Dahrendorf meint, dass das U eher wie ein Z aussehe. Eine Voraussetzung des modernen Wirtschaftswachstums ist das Vorhandensein von elementaren Bürgerrechten. Die Kraft des Bürgerstatus muss wirksam sein, damit der Kapitalismus aufglühen kann (moderner Arbeitsvertrag setzt Gleichheit vor dem Gesetz voraus). Der Grundstrich des Z bezeichnet das gemeinsame Niveau der wirtschaftlichen Teilnahme und damit den Fundamentalunterschied zu Systemen hierarchischer Vorrechte.

Bürgerrechte können aber mit massiven Ungleichheiten einhergehen.
1. Die Rechte waren selbst unvollständig, bürgerliche Gleichheit war Fiktion.
2. Bei Einbezug in industriellen Wachstumsprozess erfolgreich, sonst im Niemandsland (wie heute am Rande der großen Städte in den Wellblechhütten).

In den heutigen OECD Ländern sind zwei Dinge geschehen:
1. Der Virus des Bürgerstatus wurde virulent (Ausweitung der Bürgerrechte).
2. Der zweite Prozess lag im Wachstum des Angebots. Es gab mehr zu verteilen. Das ist der Strich hinauf im Z.

Peter Bergers Erklärung dieses Nivellierungsprozesses durch Technologie und Demographie bedeutet vor allem, dass im Verlauf der Entwicklung industrieller Gesellschaften die Arbeit zugleich knapper und qualifizierter wird.

Dahrendorf betont eine zentrale These seines Essays:
"Hier wird nicht angenommen, dass zwischen Anrechten und Angebot eine notwendige Wechselbeziehung der Kausalität oder auch des trade-off besteht. Im Gegenteil liegen die Triumphe der Freiheit in strategischen Veränderungen, die beide verbinden" (S. 148).

Die Geschichte des 20. Jahrhunderts ist nicht sehr liberal. Kriege, Wirtschaftskrisen und Totalitarismen waren die Instrumente der Nivellierung.

Einkommensunterschiede, gemessen am Verhältnis des obersten Fünfteils zum untersten, haben sich nicht wesentlich verringert.

Was bedeutet diese Unveränderlichkeit der sozialen Unterschiede?

Ein Fortdauern tiefer sozialer Gegensätze? Erträglichkeit der Einkommensunterschiede? Einen notwendigen Anreiz für den Fortschritt?

Die in Dahrendorfs Essay verwendeten Begriffe liefern ein Kriterium der Entscheidung über solche Meinungsverschiedenheiten.

Die Schlüsselfrage ist also ob Schwellen bloße statistische Werte sind, wie 'obere 20 Prozent', oder reale Hindernisse für die Mobilität.

Ein Lehrer ist in seiner Bewegungsfreiheit (Aufstieg) durch stärkere Kräfte gehindert, als der kleine Unternehmer der die Chance hat ein reicher Mann zu werden.
Quantitative Unterschiede (Ungleichheiten) (T. H. Marshall) führen nicht zu qualitativen Klassenkonflikten.

Der amerikanische Traum lässt Möglichkeiten als real erscheinen, die vielleicht tatsächlich wegen unsichtbarer Anrechtsschwellen unerreichbar bleiben, während andernorts ein verbreitetes Klassendenken (England) Menschen daran hindern kann, ihre tatsächlichen Chancen wahrzunehmen.

Marshalls These besagt, dass es in modernen Gesellschaften einen Wandel von qualitativen zu quantitativen Unterschieden gegeben hat.
Ob dieser Wandel real ist wird uns noch beschäftigen. Auch Marshall schrieb wie Aron über die industrielle Gesellschaft der 50er Jahre. Aron definierte sie als Gesellschaft in der die Großindustrie die charakteristische Form der Produktion ist.
Daraus folgen Trennung von Betrieb und Familie, fortgeschrittene Arbeitsteilung, Akkumulation von Kapital, rationale Buchführung und Wachstum als zentrales Problem der Ökonomie denn moderne Volkswirtschaften sind 'im Kern fortschrittlich'.
Aron fügt hinzu, dass "in den meisten Fällen Wirtschaftswachstum von einer besseren Verteilung begleitet wird".

Dahrendorf sagt aber klar dazu, dass Wachstum als solches keine 'bessere', also fairere oder gerechtere Verteilung hervorbringt. Aron sieht wirtschaftliches Wachstum als selbstverständlich an.
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Quelle: Der moderne soziale Konflikt von Ralf Dahrendorf, Stuttgart 1992 (1), München 1994, dtv Taschenbuch, Exzerpt: transitenator
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Im 19. Jahrhundert war der Optimismus liberal, der Pessimismus bei den Sozialisten. Heute ist der Optimismus weder liberal noch sozialistisch, er ist im wesentlichen technisch.

Der Schlüssel zur modernen Wirtschaftsgeschichte ist der technische Fortschritt (Fourastié).
Daniel Bells 'postindustrielle Gesellschaft' ist auch ein Ergebnis technisch-wissenschaftlicher Veränderungen, und bis auf den heutigen Tag glauben viele, dass wissenschaftliche Entdeckungen und ihre technische Anwendung der gemeinsame Grund für Wirtschaftswachstum und soziale Gerechtigkeit sind.

Dahrendorf hat dazu eine gewisse Skepsis denn:
Der technische Fortschritt ist kein Selbstläufer, kein Prozess, der isoliert und nur für sich abläuft. Zumindest das E in F & E, also die Entwicklung der Forschung, ist immer eine Antwort auf reale Fragen, und Erfindungen müssen angewendet werden, um etwas zu bewirken.

Wenn Technokraten herrschen (wie Bürokraten), dann können sie nur extrapolieren, nicht dagegen die Richtung verändern. Wenn es um Richtungsänderungen geht, muss manfrau die sozialen Kräfte und die Akteure finden, die für den Gebrauch von Wissenschaft und Technologie, oder auch von Bürokratie, verantwortlich sind, indem sie die Zwecke bestimmen, für die solche Instrumente verwendet werden.

Rationalität alleine reicht nicht aus
, um den Weg der Freiheit zu entwerfen (S.151).

Aron hatte also nicht nur seinen Weber sondern auch seinen Schumpeter gelesen: "Damit eine Wirtschaft auf die Dauer vorankommen kann, müssen Bedingungen vorhanden sein, in denen die Wirtschaftssubjekte die für das Wachstum nötigen Entscheidungen treffen". Unternehmer sind ebenso erforderlich wie der technische Fortschritt, Politiker ebenso wie die Umsetzung von Politik durch Verwaltungen.

Wirtschaftswachstum ist nicht alles.

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