20070531

Mittelalter Feudalisierung Ritter Minnesang zt-47

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Im Prozess der Feudalisierung zwei Phasen. Eine der äußersten Desintegration und eine der Re-Integration, einem langen geschichtlichen Prozess, in dessen Verlauf immer größere Gebiete und Menschenmengen interdependent und zu fester organisierten Integrationseinheiten werden.

Im 10. u. 11. Jahrhundert geht die Zerstückelung noch weiter, die Lehen zerteilen sich mehr und mehr. Dann schon im 11. u. 12. Jahrhundert vollzieht sich eine Reaktion.

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Literatur und Quellenhinweis:
Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation
Band 2 Erstmals veröffentlicht 1936
Francke Verlag: 1969 2. Auflage
Suhrkamp: 1976 1. Auflage
19. Auflage 1995
Ausgewählte Quoten und Gestaltung: Transitenator
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Es tritt ein Phänomen ein, das sich in der Geschichte unter verschiedenen Formen mehrmals wiederholt hat. Die Grundherren, die besser platziert sind und die größeren Chancen haben, belegen die feudale Bewegung mit Beschlag. Sie fixieren es zuungunsten ihrer Vasallen. Eine Reaktion im Sinne einer Konsolidierung.

Nach einer Phase des freieren Konkurrenzkampfes verschiebt sich das Gleichgewicht zugunsten der wirtschaftlich stärkeren Gruppen. Die wenigen reicheren und größeren Grundherren gewinnen an gesellschaftlicher Stärke gegenüber den vielen kleinen.

Welcher Faktor? Die Bedeutung der langsamen Kommerzialisierung. Die Differenzierung der Arbeit, der Sektor des Markt- und Geldverkehrs in der Gesellschaft wächst, wenn auch noch die naturale Wirtschaftsform den Vorrang hat.

Das Wachstum des Handels- und Geldverkehrs kommt den wenigen, reichen und großen Grundherren in ganz anderem Maße zugute als dem Gros der kleinen, die leben wie sie bisher gelebt haben.

Auch die wachsenden Handwerker- und Händlersiedlungen, die Städte, schließen sich meist an die Festungen und Verwaltungszentren der großen Herrschaften an und stärken diese durch die Abgaben an sie.
An den Höfen der großen Grundherren sammelt sich kraft ihrer direkten oder indirekten Verflechtung das Handelsnetz, sei es in Naturalien, sei es in Edelmetall, ein Reichtum, der dem Gros der kleineren Grundherren fehlt.

Das Schicksal Walthers von der Vogelweide ist typisch. Bei geringen Expansionsmöglichkeiten der Gesellschaft, desto größer die Reservearmee der Oberschicht.

Die Höfe der größeren Feudalherren ziehen kraft der wachsenden Chancen auch eine wachsende Anzahl von Menschen an sich.
Das Gros der kleinen Ritter musste ein selbstgenügsames und oft beschränktes Leben führen.
Es vollzieht sich eine Differenzierung in der feudalen Rittergesellschaft die für die Lebenshaltung und Lebensart nicht ohne Folgen blieb.

Auch wachsen zwei neue Arten von Gesellschaftsorganen, zwei neue Siedlungs- oder Integrationsformen heraus. Die Höfe der größeren Feudalherren und die städtischen Siedlungen.

Diese großen Feudalhöfe gewinnen eine weit größere kulturelle Bedeutung als die Stadt.
Sie werden zu Repräsentationsstätten für Macht und Reichtum ihrer Gebieter, sie werden zu potentiellen Zentren der literarischen Patronage und der Geschichtsschreibung.

Es gibt noch keinen Buchmarkt. Der Dichter schafft und spricht hier unmittelbar für Menschen, die er kennt mit denen er täglich umgeht. Spielleute, Possenreißer und Narren, Minnesänger, Troubadoure ziehen von Burg zu Burg.
Die Funktion differenziert sich mit ihrem Publikum. Die Herren der reichen Höfe ziehen die besten Kräfte an ihren Hof. Dichter und Geschichtsschreiber gehören zu den Instrumenten des Prestigekampfes.

Minnesänger sind Ritter ohne Land. Die Ritter des 9. u. 10. Jahrhunderts sind nicht zimperlich mit Frauen (Schlag auf die Nase), Verachtung des Mannes für die Frau, diese gehört in die Kemenate (geht bis ins 16. Jahrhundert im Landadel).

Auch die Burgherrinnen haben lebhafte Leidenschaften und Temperament. Es entwickelt sich eine friedlichere Geselligkeit um die Herrin des Hofes, aber nur in den wenigen großritterlichen Höfen.

Hier tritt die kriegerische Funktion der Männer bis zu einem gewissen Grade zurück. Hier lebte zum ersten mal in der weltlichen Gesellschaft eine größere Anzahl von Menschen, auch von Männern in hierarchischer Ordnung und in beständiger, sehr enger Verflechtung unter den Augen der Zentralperson des Territorialherrn.

Das allein zwang alle Abhängigen zu einer gewissen Zurückhaltung. Hier war eine Fülle von unkriegerischer Verwaltungsarbeit. All das schuf eine friedlichere Atmosphäre. Wie überall dort, wo die Männer zum Verzicht auf körperliche Gewalt gezwungen sind, stieg das soziale Gewicht der Frauen.
Hier im Inneren der großen Feudalhöfe, stellte sich ein gemeinsamer Lebensraum, eine gemeinsame Geselligkeit von Männern und Frauen her (S. 109).

Die Frau war dem Mann in der Sphäre der friedlichen Geselligkeit überlegen. So entstanden hier auch zuerst um die Frauen Zirkel friedlicher, geistiger Regsamkeit. Im vornehmen Kreis war während des 12. Jahrhunderts die Bildung der Frau durchschnittlich feiner als die des Mannes.

Die Form der menschlichen Beziehung, die der Troubadourlyrik und dem Minnesang zugrunde liegt ist diejenige des sozial niedriger stehenden Mannes zu der sozial höher stehenden Frau.
Hier eine Nötigung des An-sich-haltens, zur Versagung, zur Bändigung der Triebe.

Es ist kein Zufall, dass sich hier in dieser menschlichen Situation als gesellschaftliches Phänomen das herausstellt was wir 'Lyrik' nennen, und jene Umformung der Lust, jene Tönung des Gefühls, jene Sublimierung und Verfeinerung der Affekte, die wir 'Liebe' nennen.
Dies ist die Situation und die Gefühlslage des Minnesanges.

Die Entstehung des Minnesanges ist nicht allein aus literarischen Antezedentien zu verstehen.
Warum blieben Marien- und Vagantenlyrik nicht auch weiter vorherrschende Ausdrucksformen der Gesellschaft?
Was sind die Dynamismen der Bewegung, welches die gestaltenden Kräfte der geschichtlichen Veränderung?

Die Quellenforschung, die Untersuchung der Antezedentien hat gewiss eine Bedeutung, aber ohne soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen bleibt seine Entstehung, sein Lehnszusammenhang dunkel.

Die großen geschichtlichen Veränderungen haben ihre strikte Gesetzmäßigkeit (S. 113).

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