20070531

Konkurrenz Monopolmechanismus Monopolbildung Staat zt-50

Die Gesellschaft der neueren Zeit ist durch einen ganz bestimmten Stand der Monopolbildung charakterisiert.
1. Die freie Verfügung über militärische Machtmittel ist dem Einzelnen genommen und einer Zentralgewalt vorbehalten.
2. Die Erhebung der Steuerabgaben ist in den Händen einer gesellschaftlichen Zentralgewalt konzentriert.

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Literatur und Quellenhinweis:
Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation
Band 2 Erstmals veröffentlicht 1936
Francke Verlag: 1969 2. Auflage
Suhrkamp: 1976 1. Auflage
19. Auflage 1995
Ausgewählte Quoten und Gestaltung: Transitenator
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Die finanziellen Mittel die der gesellschaftlichen Zentralgewalt zufließen halten das Gewaltmonopol aufrecht, das Gewaltmonopol hält das Abgabenmonopol aufrecht. Es handelt sich um zwei Seiten der gleichen Monopolstellung.
Kurz: Steuermittel erhalten (unterstützen) das Gewaltmonopol und Gewaltmittel erhalten das Steuermonopol.

In einer sehr fortgeschrittenen Funktionsteilung der Gesellschaft bildet sich eine spezialisierte Verwaltungsapparatur dieser Monopole heraus. Und erst mit der Herausbildung dieses differenzierten Herrschaftsapparats bekommt die Verfügung über Heer und Abgaben ihren vollen Monopolcharakter.

Die sozialen Kämpfe gehen nun nicht mehr um die Beseitigung des Herrschaftsmonopols, sondern nur mehr um die Frage, wer über die Monopolapparatur verfügen soll, woher sich rekrutieren, wie Last und Nutzen verteilt werden soll.

Erst mit der Herausbildung dieses beständigen Monopols der Zentralgewalt und dieser spezialisierten Herrschaftsapparatur nehmen die Herrschaftseinheiten den Charakter von 'Staaten' an (S. 143).

Wenn diese 'Schlüsselmonopole' verfallen, verfällt der Staat.

Wie und warum kommt es zu dieser Monopolbildung?

In der Gesellschaft des 9. 10. u. 11. Jahrhunderts ist der kriegerische Erwerb von Boden der 'Privatinitiative' überlassen.
Starke Nachfrage nach Böden.
Konkurrenzkampf mit kriegerischer und wirtschaftlicher Gewalt.
(Im 19. Jahrhundert wird die Kraft der staatlichen Monopole mit den Mitteln wirtschaftlicher Gewalt geführt S. 144).

Zentrum der Bewegungen ist hier wie dort die Akkumulation des jeweils wichtigsten Produktionsmittel, hier (19. Jahrhundert) Geld, dort (9. 10. u. 11. Jahrhundert) Böden.

Mechanismus der Monopolbildung:

"Wenn in einer größeren, gesellschaftlichen Einheit viele der kleineren, gesellschaftlichen Einheiten, die die größere durch ihre Interdependenz bilden, relativ gleiche, gesellschaftliche Stärke haben und dementsprechend frei - ungehindert durch schon vorhandene Monopole- miteinander um Chancen der gesellschaftlichen Stärke konkurrieren können (also vor allem um Subsistenz- und Produktionsmittel), dann besteht eine sehr große Wahrscheinlichkeit dafür, dass einige siegen, andere unterliegen und dass als Folge davon, nach und nach immer weniger über immer mehr Chancen verfügen, dass immer mehr aus dem Konkurrenzkampf ausscheiden müssen und in direkte oder indirekte Abhängigkeit von einer immer kleineren Anzahl geraten" (S. 144).

Das Menschengeflecht nähert sich als einem Zustand, bei dem die faktische Verfügungsgewalt über die umkämpften Chancen in einer Hand liegt; es ist aus einem System mit offeneren Chancen zu einem System mit geschlosseneren Chancen geworden (S. 145).

Experiment: Bestimmte Anzahl von Menschen und bestimmte Anzahl von Chancen. Im Optimalfall verfügt dann ein Einzelner über alle Chancen und alle Anderen sind von ihm abhängig (S. 145). Es muss sich aber um einen freien, von keiner Monopolmacht beeinflussten Wettkampf handeln.

Gang und Tempo ist in hohem Maße von dem Verhältnis abhängig, in dem Nachfrage und Angebot von Chancen stehen.

Wenn an die Stelle relativ unabhängiger, gesellschaftlicher Funktionen abhängige hervortreten (z.B. statt freie Ritter höfische Ritter, dann Höflinge), (z.B. an Stelle unabhängiger Kaufleute, abhängige) dann verändert sich notwendigerweise zugleich die Affektmodellierung, der Aufbau des Triebhaushaltes und des Denkens, der ganze soziogene Habitus und die sozialen Attituden der Menschen. Sowohl bei denen, die sich einer Monopolstellung nähern als auch denen die in direkter oder indirekter Abhängigkeit sind.

Der Prozess ist keineswegs so zu verstehen als ob manche immer weniger frei und mehr gebunden werden, und andere immer freier. Es ist vielmehr eine gegenseitige Abhängigkeit, die gewachsen ist.

Das folgende gilt auch als ein Beispiel dafür, wie aus privatem Besitz eine öffentliche Funktion wird, und wie sich das Monopol eines Einzelnen schließlich vergesellschaftet (wie später dann nach der franz. Rev.).

Je mehr Menschen durch das Spiel des Monopolmechanismus in Abhängigkeit geraten, desto größer wird die gesellschaftliche Stärke zwar nicht der einzelnen Abhängigen, aber der Abhängigen als eines Ganzen im Verhältnis zu den wenigen oder dem einen Monopolisten.

Und zwar durch ihre Anzahl, dann durch die Angewiesenheit der Wenigen (die sich der Monopolstellung nähern) auf immer mehr Abhängige zur Bewahrung und Bewirtschaftung der monopolisierten Chancen. Je mehr sich in einer Hand akkumuliert, desto stärker wird er von dem Geflecht seiner Abhängigen abhängig (S. 147).

Je umfassender und je arbeitsteiliger ein Monopolbesitz wird, desto sicherer und desto ausgeprägter strebt er einem Punkt zu, bei dem der oder die Monopolherren zu Zentralfunktionären eines funktionsteiligen Apparates werden, mächtiger vielleicht als andere Funktionäre, aber kaum weniger abhängig und gebunden als sie.

Die Verfügungsgewalt (der durch Privatinitiative in Ausscheidungskämpfen akkumulierten Chancen) tendiert dazu, von einem optimalen Punkt der Besitzgröße ab den Händen der Monopolherren zu entgleiten und in die Hände der Abhängigen als eines Ganzen (oder einiger Gruppen von Abhängigen) überzugehen.
Etwa in die Verfügungsgewalt der bisherigen Monopolverwaltung. Das Privatmonopol Einzelner vergesellschaftet sich; es wird zu einem Monopol ganzer Gesellschaftsschichten, zu einem öffentlichen Monopol, zum Zentralorgan eines Staates (S. 148).

Der Staatshaushalt entwickelt sich aus dem Privathaushalt feudaler Herrschaftshäuser. Es gab da noch keine Trennung zwischen 'öffentlichen' und 'privaten' Einnahmen oder Ausgaben.

Die Einnahmen kamen zuerst aus dem Haus- oder Domanialbesitz; die Verwaltung und Verteidigung des Besitzes wird für den Einzelnen immer unübersehbarer; zunehmende Kommerzialisierung; aus dem Monopol über den Boden wird ein Abgaben- oder Steuermonopol. Darüber wird wie über persönliches Einkommen verfügt.

Dann beschränkt sich der Entscheidungsspielraum des Monopolbesitzers durch das riesige Menschengeflecht, zu dem sein Besitz geworden ist.

Die fixen Kosten des Monopolapparates werden ständig größer. Und am Ende steht er bereits unter dem Druck, unter dem Gesetz und in funktionaler Abhängigkeit von der Gesellschaft, die er beherrscht.
Seine Unumschränktheit ist jetzt nicht mehr einfach eine Konsequenz seiner monopolistischen Verfügung über Chancen, sondern die Funktion einer besonderen Aufbaueigentümlichkeit der Gesellschaft in dieser Phase. Er bekommt dann Geld des Budgets für seine Funktion.

So gut wie alle Organe der staatlichen Herrschaftsapparatur entstehen durch Differenzierung von Funktionen des fürstlichen Haushalts.
Wenn schließlich diese Herrschaftsapparatur staatlich oder öffentlich geworden ist, dann bildet der Haushalt ihrer Zentralherren bestenfalls ein Organ unter anderen darin und schließlich kaum noch das.

Das Monopol tendiert also von einem bestimmten Grad der Akkumulation dazu, der Verfügungsgewalt eines Einzelnen zu entgleiten und in die Verfügungen ganzer Gesellschaftsgruppen überzugehen.

Oft zunächst in die Gewalt der früheren Herrschaftsfunktionäre, der ersten Diener des Monopolisten.

In Gesellschaften mit geringer Interdependenz der gesellschaftlichen Funktionen führt dieser Vergesellschaftungsschub notwendiger weise zu einer Art von 'Anarchie', zu einem Zerfall des Monopols oder zu dessen Aneignung durch eine Oligarchie.

Erst im Zuge der wachsenden gesellschaftlichen Interdependenz aller Funktionen wird es möglich, Monopole auch ohne sie aufzulösen, der willkürlichen Nutzung durch einige Wenige ganz zu entziehen.

Wo immer die Funktionsteilung stark und überdies im Wachsen ist, da kommen die Wenigen in Schwierigkeiten und in Nachteil gegenüber den Vielen. Das immer reicher funktionsteiligere Menschengeflecht als ein Ganzes hat ein Eigengesetz, das sich jeder privaten Monopolisierung von Chancen immer stärker entgegen stemmt.

Die Tendenz der Monopole (z.B. Gewalt- und Steuermonopol) aus privaten zu öffentlichen (staatlichen) Monopolen zu werden, ist nichts anderes als eine Funktion der gesellschaftlichen Interdependenz. Eine Hemmung für diesen Prozess wäre z.B. die Größe des deutschen Imperiums.

Der Prozess der Monopolbildung hat also einen klaren Aufbau. Der freie Konkurrenzkampf hat in diesem Prozess eine bestimmte Stelle und Funktion. Der Konkurrenzkampf ist ein Kampf relativ Vieler um Chancen, über die noch kein Monopol besteht.
Jeder gesellschaftlichen Monopolbildung geht ein solcher freier Ausscheidungskampf voraus. Jeder freie gesellschaftliche Ausscheidungs- oder Konkurrenzkampf tendiert zur Monopolbildung.

Gegenüber dieser Phase, der freien Konkurrenz bedeutet die Monopolbildung eine Schließung des direkten Zuganges zu bestimmten Chancen für immer mehr Menschen und bedeutet weiters eine immer stärkere Zentralisierung der Verfügungsgewalt über diese Chancen.

Aber, der Monopolist, ist nie in der Lage, die Erträge seines Monopols allein für sich zu verbrauchen; er ist ganz besonders nicht dazu in der Lage, innerhalb einer stark funktionsteiligen Gesellschaft. Er muss vielmehr einen großen Teil der Chancen, über die er verfügt, an andere verteilen, und zwar einen umso größeren Teil, je größer der akkumulierte Besitz wird und umso größer seine Angewiesenheit auf andere und damit deren gesellschaftliche Stärke wird.

Um die Verteilung dieser Chancen erhebt sich von neuem ein Konkurrenzkampf, aber während in der vorangegangenen Phase dieser 'frei' war, ist er jetzt davon abhängig, für welche Funktionen oder zu welchem Zweck der Monopolist den Einzelnen aus seiner Übersicht über das Ganze seines Herrschaftsbereichs braucht.

An die Stelle des freien Konkurrenzkampfes ist ein gebundener, von einer Zentralstelle gelenkter oder lenkbarer Konkurrenzkampf getreten.
Die Eigenschaften die in diesem gebundenen Konkurrenzkampf Erfolg versprechen sind anders als im vorigen. Die Selektion die er vornimmt ist anders. Die Menschen die er produziert sind anders (S. 154).

Das Gewalt- und Steuermonopol wird durch das Bürgertum übernommen. Sie besitzen wirtschaftliche Chancen in der Form eines unorganisierten Monopols. Sie sind gleich verteilt und können relativ frei konkurrieren. Diese Schicht kämpft nicht um die Zerstörung des Herrschaftsmonopols, weil der Bestand eines Gewalt- und Steuermonopols die Grundlage ihrer gesellschaftlichen Existenz ist.

Es beschränkt den Konkurrenzkampf auf das Mittel der wirtschaftlichen Gewalt. Es geht um eine andere Verteilung der Lasten und Erträge des Monopols.
Die Chancen, die das Monopol gibt sollen weniger nach der persönlichen Gunst und dem persönlichen Interesse Einzelner, sondern nach einem Plan im Interesse vieler interdependent Verbundener und schließlich im Interesse eines ganzen interdependenten Menschengeflechts sein (S. 156).

Durch Zentralisierung, durch Monopolisierung werden, mit anderen Worten, Chancen, die zuvor durch kriegerische oder wirtschaftliche Gewalt von Einzelnen erstritten werden mussten, einer Planung unterwerfbar und manipulierbar.

Der Kampf um die Monopole richtet sich von einem bestimmten Punkt der Entwicklung ab nicht mehr auf ihre Zerstörung, sondern er geht um die Verfügungsgewalt über ihre Erträge, um den Plan, nach dem Last und Nutzen verteilt werden sollen, um den Verteilungsschlüssel.

Die Verteilung selbst, die Aufgabe des Monopolherrn und der Monopolverwaltung wird aus einer privaten zu einer öffentlichen Funktion.

Die Zentralfunktionäre sind in diesem ganzen Geflecht nun Abhängige wie alle anderen.
Es bilden sich Institutionen zur Kontrolle. Und die Verfügung über das Monopol (Besetzung der Schlüsselposition) selbst, entscheidet sich nicht durch einen monopol-freien Konkurrenzkampf sondern durch regelmäßig wiederkehrende Ausscheidungskämpfe ohne Waffengewalt, die von dem Monopolapparat geregelt werden, durch monopolistisch 'gebundene' Konkurrenzkämpfe.

Es bildet sich das, was wir ein 'demokratisches Regime' nennen. Dieses ist nicht mit dem Vorhandensein von Monopolen schlechthin unvereinbar, sondern es hat selbst geradezu den Bestand von hoch organisierten Monopolen zur Voraussetzung.

Es kann nur entstehen unter bestimmten Voraussetzungen, bei einem bestimmten Aufbau des gesamten gesellschaftlichen Feldes und erst in einer sehr fortgeschrittenen Phase der Monopolbildung dauerhaft funktionieren (S. 157).


Die zwei Phasen im Ablauf eines Monopolmechanismus:

Erstens die Phase der freien Konkurrenz, Ausscheidungskämpfe mit der Tendenz zur Akkumulation von Chancen in immer weniger und schließlich in einer Hand, die Phase der Bildung des Monopols.

Zweitens die Phase in der die Verfügungsgewalt über die zentralisierten und monopolisierten Chancen dazu tendiert aus den Händen Einzelner in die einer immer größeren Anzahl überzugehen und schließlich zu einer Funktion des ganzen Menschengeflechts als einem Ganzen zu werden, die Phase, in der aus einem relativ 'privaten' ein 'öffentliches' Monopol wird (S. 157). In diese zweite Phase können nur Gesellschaften mit sehr reicher und steigender Funktionsteilung kommen.

Zusammenfassung:

Ausgang ist eine Situation in der eine ganze Schicht über unorganisierte Monopolchancen verfügt. Die Verteilung wird hier durch freien Kampf und offene Gewalt entschieden. Sie strebt einer Situation zu, in der Monopolchancen zentral organisiert und durch Kontrollinstitutionen gesichert ist und die Verteilung der Monopolerträge nach einem Plan erfolgt, der nicht am Interesse Einzelner sondern am Kreislauf der arbeitsteiligen Prozesse selbst, am Ineinanderarbeiten aller funktionsteilig verbundener Menschen orientiert ist (S. 158).

Die wirtschaftlichen Konkurrenzkämpfe unserer Tage, haben selbst den bereits festen Bestand von weit fortgeschrittenen Monopolbildungen zur Voraussetzung. Der Kampf um wirtschaftliche Chancen ist auf Mittel der 'wirtschaftlichen' Gewalt beschränkt.
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2007: Oder ? Was geschieht im (mit dem) Irak?
Ach ja. Demokratisierung!

Konkurrenzdruck Monopol Staaten Bildung zt-49

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Literatur und Quellenhinweis:
Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation
Band 2 Erstmals veröffentlicht 1936
Francke Verlag: 1969 2. Auflage
Suhrkamp: 1976 1. Auflage
19. Auflage 1995
Ausgewählte Quoten und Gestaltung: Transitenator
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Die erste Station des aufsteigenden Königshauses sind Konkurrenzkämpfe und Monopolbildung im Rahmen eines Territoriums.

(Frage:) Es bleibt zu zeigen, welche gesellschaftlichen Prozesse die Ausbildung eines stabilen Herrschaftsapparates und damit zugleich die Bändigung des Einzelnen möglich machen (S. 119).

Bleibt also die Aufgabe die Grundzüge jenes Triebwerkes von Prozessen aufzuzeigen, kraft deren einem der großen Feudal- oder Territorialherrn, dem König, ein Übergewicht über die anderen gegeben wurde und die Chance, eine stabilere Herrschaftsapparatur über ein Gebiet, das viele Territorien umfasst, einen 'Staat' zu lenken.

Das ist zugleich der Weg, der vom Verhaltensstandard der 'Courtoisie' zum Standard der 'Civilité' führt.

Die Königskrone bedeutet in verschiedenen Phasen der gesellschaftlichen Entwicklung etwas sehr verschiedenes.

Am Beginn des 12. Jahruhunderts ist das ehemalige westfränkische Reich in eine Reihe verschiedener Herrschaftseinheiten zerfallen.
Zunächst ist der der Träger der Königskrone nichts anderes als ein großer Feudalherr. (Ludwig VI. 1108-1137 König). Er ist im wesentlichen Großgrundbesitzer.

Schwache ökonomische Entwicklung, geringe Entwicklung der Transportwege. Verbindungsprobleme.
Die Beziehungen der großen Feudalherren zu den Trägern der Krone sind auf ein Mindestmaß beschränkt.
Später wird dann der kapetingische Domänenbesitz so groß, und kraft der wirtschaftlichen und militärischen Chancen, so dass sie dem Konkurrenzbereich der anderen Krieger entwachsen und eine Art von Monopolstellung in diesem Territorium einnahmen.

In jedem Territorium gelingt es früher oder später durch die Akkumulation von Landbesitz eine Vormachtstellung, Hegemonie oder Monopolstellung zu gewinnen, zuungunsten der vielen kleinen und mittleren Ritterfamilien.

Das Hausgut und die Herrschaft im engeren Stammesgebiet bildet bei dem Aufbau dieser Gesellschaft das wichtigste, militärische und finanzielle Fundament, auch der Königsmacht.

Ludwig VI legt den Grund für die folgende Expansion seines Hauses. Er schafft ein potentielles Kristallisationszentrum für das größere Gebiet Frankreichs.
Keine prophetischen Visionen sondern er handelt unter den unmittelbaren Zwängen seiner aktuellen Situation (S. 128).

Der Mechanismus der Vormachtbildung ist immer der gleiche. Durch Akkumulation des Besitzes, wachsen einzelne Unternehmungen aus dem Konkurrenzbereich heraus und kämpfen miteinander bis nur mehr eines oder zwei einen bestimmten Zweig der Wirtschaft kontrollieren und beherrschen.
Ist die Vorherrschaft eines Kriegerhauses in einem kleinere Gebiet gefestigt, dann tritt der Kampf um die Hegemonie in einem weiteren Gebiet in den Vordergrund.

Die Größe des 'deutschen Imperiums' gab den lokalen, zentrifugalen Tendenzen eine andere Stärke; machte die Zentralisierung schwerer.

Die Größenordnung in der sich gesellschaftliche Prozesse abspielen, bildet ein wichtiges Element ihrer Struktur.

Hier weit größere Spannungen und Interessengegensätze als im westfränkischen Gebiet. Ein Haus nach dem anderen verbrauchte hier im Kampf um die Hegemonie seinen Stammes- oder Domanialbesitz (S. 131).

Der Mechanismus der Staatenbildung ist im europäischen Raum (die naturalwirtschaftliche Phase gelangt kontinuierlich in eine geldwirtschaftliche) immer der gleiche.
In der Geschichte der europäischen Staaten gibt es immer eine frühe Phase, bei der territoriale Herrschaftseinheiten die entscheidende Rolle spielen (z.B. feudale Territorialherrschaften).
Aus den Institutionen eines feudalen Territoriums werden dann kontinuierlich Institutionen eines Staates und eines Imperiums.

Schematisch gezeichnet verläuft der Prozess zwischen den verschiedenen benachbarten Territorialherrschaften ganz analog zu jenem, der sich zuvor innerhalb eines festen Territoriums zwischen den einzelnen Gutsherren der Rittern bis zum Erwerb der Vormachtstellung, eines über die anderen, abspielt.

In der folgenden Phase konkurrieren die nächstgrößeren Herrschaftseinheiten miteinander. Es besteht die ständige Notwendigkeit zu expandieren, wenn sie nicht besiegt oder abhängig werden wollen (S. 133).

Die Konkurrenz um den Boden im Inneren verstärkt sich. Wer bei solchem Konkurrenzdruck nicht 'mehr' erwirbt, wird automatisch 'weniger'.
Ein Druck durchzieht die ganze Gesellschaft. Er treibt auch die Territorialherren gegeneinander und setzt eben damit den Monopolmechanismus in Gang.

Einige werden stärker, andere steigen aus. Der Ausscheidungsprozess wiederholt sich bis die Entscheidung schließlich nur mehr zwischen zwei Territorialherrschaften steht.
In diesen gesellschaftlichen 'Ausscheidungskämpfen', spielen sicherlich persönliche Qualifikationen Einzelner, sowie andere 'Zufälle' eine Rolle, aber der gesellschaftliche Prozess, die Tatsache, dass eine Gesellschaft mit relativ gleich großen Macht- und Besitzeinheiten bei starkem Konkurrenzdruck zur Vergrößerung einiger weniger und schließlich zu einer Monopolbildung tendiert, ist von solchen Zufällen weitgehend unabhängig.

Früher oder später kommt es zu einer solchen Monopolbildung -unter den bisherigen Aufbaubedingungen- mit einer hohen Wahrscheinlichkeit. Ist dieser einfache gesellschaftliche Mechanismus einmal in Gang gesetzt, arbeitet er weiter, wie ein Uhrwerk.

"Ein Menschengeflecht, in dem kraft der Größe ihrer Machtmittel relativ viele Einheiten miteinander konkurrieren, neigt dazu, diese Gleichgewichtslage (Balance vieler durch viele, relativ freie Konkurrenz) zu verlassen und sich einer anderen zu nähern, bei der immer weniger Einheiten miteinander konkurrieren können; sie nähert sich mit anderen Worten einer Lage, bei der eine gesellschaftliche Einheit durch Akkumulation ein Monopol über die umstrittenen Machtchancen erlangt" (S. 135).

Ein Mechanismus dieser Art ist auch bei der Staatenbildung am Werk.
Deutschland: Bei der Größe dieses Gebietes war die Wahrscheinlichkeit der Ausbildung eines 'Kristallisationszentrums' geringer.
Die Ausscheidungskämpfe nahmen mehr Zeit in Anspruch. Schließlich dann doch: die Territorialmacht der Hohenzollern. Sie erlangte die Vormacht unter den deutschen Territorialherrschaften.

Dann beim nächsten Kampf (mit den Habsburgern), der die stärkere Integration einleitete, die Staatenbildung. Die Habsburger schieden aus.

Deutschland zerbröckelte, es zerfiel relativ spät und wurde immer kleiner.

In England und Frankreich ist der Trend der Bewegung annähernd umgekehrt.
Langsames Wachstum vom kleinen zum größeren hin.

In England war gerade wegen der Beschränktheit des Gebietes eine Einigung der verschiedenen Stände und vor allem der Krieger des ganzen Gebietes gegen den Zentralherren leichter möglich.

Zivilisation Globalisierung Globalisation zt-48

Ausblick: Wie sieht die Bewegungsrichtung der Zivilisation aus? (S. 118-119, siehe unten). ("Globalisierung bzw. Globalisation heute").

Erst steht Burg gegen Burg, dann Territorium gegen Territorium, dann Staat gegen Staat.
Nun (1939 ! ) erscheinen am Horizont Anzeichen und Kämpfe um eine Integration von Gebieten und Menschenmassen in einer noch höheren Größenordnung.

Wachsende Verflechtung und Zusammenwachsen zu einer 'Erdgesellschaft'?
Das Wachstum der Integrations- und Herrschaftseinheiten zu immer weiteren Größeneinheiten ist immer zugleich ein Ausdruck für strukturelle Veränderungen im Aufbau der Gesellschaft und der menschlichen Beziehungen selbst.

Jedesmal, wenn sich das Schwergewicht innerhalb einer Gesellschaft den Integrationseinheiten einer neuen Größenordnung zuneigt (z.B. zugunsten der größeren Feudalherren zuungunsten der kleineren, als 'Schub'), hängt die Wandlung damit zusammen, dass die gesellschaftlichen Funktionen sich anders und stärker differenziert haben, dass die Aktionsketten der Gesellschaftsorganisation, der militärischen, wie der wirtschaftlichen Organisation, mehr Glieder bekommen haben und länger geworden sind.

Das Geflecht der Angewiesenheiten und Abhängigkeiten, die sich im Einzelnen kreuzen werden größer und seiner Struktur nach anders.
In Korrespondenz damit verändert sich auch die Modellierung des Verhaltens und des ganzen emotionalen Lebens, die Gestalt des Seelenhaushalts.

"Der Prozess der Zivilisation ist, von der Seite des Verhaltens und des Trieblebens her gesehen, dasselbe, wie, von der Seite der menschlichen Beziehungen her gesehen, der Prozess der fortschreitenden Verflechtung, die zunehmende Differenzierung der gesellschaftlichen Funktionen und, ihr entsprechend, die Bildung immer umfassenderer Interdependenzen, immer größerer Integrationseinheiten, von deren Ergehen und Bewegungen der Einzelne abhängig ist, ob er es weiß oder nicht" (S. 119).

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Literatur und Quellenhinweis:
Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation
Band 2 Erstmals veröffentlicht 1936
Francke Verlag: 1969 2. Auflage
Suhrkamp: 1976 1. Auflage
19. Auflage 1995
Ausgewählte Quoten und Gestaltung: Transitenator
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Mittelalter Feudalisierung Ritter Minnesang zt-47

Im Prozess der Feudalisierung zwei Phasen. Eine der äußersten Desintegration und eine der Re-Integration, einem langen geschichtlichen Prozess, in dessen Verlauf immer größere Gebiete und Menschenmengen interdependent und zu fester organisierten Integrationseinheiten werden.

Im 10. u. 11. Jahrhundert geht die Zerstückelung noch weiter, die Lehen zerteilen sich mehr und mehr. Dann schon im 11. u. 12. Jahrhundert vollzieht sich eine Reaktion.

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Literatur und Quellenhinweis:
Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation
Band 2 Erstmals veröffentlicht 1936
Francke Verlag: 1969 2. Auflage
Suhrkamp: 1976 1. Auflage
19. Auflage 1995
Ausgewählte Quoten und Gestaltung: Transitenator
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Es tritt ein Phänomen ein, das sich in der Geschichte unter verschiedenen Formen mehrmals wiederholt hat. Die Grundherren, die besser platziert sind und die größeren Chancen haben, belegen die feudale Bewegung mit Beschlag. Sie fixieren es zuungunsten ihrer Vasallen. Eine Reaktion im Sinne einer Konsolidierung.

Nach einer Phase des freieren Konkurrenzkampfes verschiebt sich das Gleichgewicht zugunsten der wirtschaftlich stärkeren Gruppen. Die wenigen reicheren und größeren Grundherren gewinnen an gesellschaftlicher Stärke gegenüber den vielen kleinen.

Welcher Faktor? Die Bedeutung der langsamen Kommerzialisierung. Die Differenzierung der Arbeit, der Sektor des Markt- und Geldverkehrs in der Gesellschaft wächst, wenn auch noch die naturale Wirtschaftsform den Vorrang hat.

Das Wachstum des Handels- und Geldverkehrs kommt den wenigen, reichen und großen Grundherren in ganz anderem Maße zugute als dem Gros der kleinen, die leben wie sie bisher gelebt haben.

Auch die wachsenden Handwerker- und Händlersiedlungen, die Städte, schließen sich meist an die Festungen und Verwaltungszentren der großen Herrschaften an und stärken diese durch die Abgaben an sie.
An den Höfen der großen Grundherren sammelt sich kraft ihrer direkten oder indirekten Verflechtung das Handelsnetz, sei es in Naturalien, sei es in Edelmetall, ein Reichtum, der dem Gros der kleineren Grundherren fehlt.

Das Schicksal Walthers von der Vogelweide ist typisch. Bei geringen Expansionsmöglichkeiten der Gesellschaft, desto größer die Reservearmee der Oberschicht.

Die Höfe der größeren Feudalherren ziehen kraft der wachsenden Chancen auch eine wachsende Anzahl von Menschen an sich.
Das Gros der kleinen Ritter musste ein selbstgenügsames und oft beschränktes Leben führen.
Es vollzieht sich eine Differenzierung in der feudalen Rittergesellschaft die für die Lebenshaltung und Lebensart nicht ohne Folgen blieb.

Auch wachsen zwei neue Arten von Gesellschaftsorganen, zwei neue Siedlungs- oder Integrationsformen heraus. Die Höfe der größeren Feudalherren und die städtischen Siedlungen.

Diese großen Feudalhöfe gewinnen eine weit größere kulturelle Bedeutung als die Stadt.
Sie werden zu Repräsentationsstätten für Macht und Reichtum ihrer Gebieter, sie werden zu potentiellen Zentren der literarischen Patronage und der Geschichtsschreibung.

Es gibt noch keinen Buchmarkt. Der Dichter schafft und spricht hier unmittelbar für Menschen, die er kennt mit denen er täglich umgeht. Spielleute, Possenreißer und Narren, Minnesänger, Troubadoure ziehen von Burg zu Burg.
Die Funktion differenziert sich mit ihrem Publikum. Die Herren der reichen Höfe ziehen die besten Kräfte an ihren Hof. Dichter und Geschichtsschreiber gehören zu den Instrumenten des Prestigekampfes.

Minnesänger sind Ritter ohne Land. Die Ritter des 9. u. 10. Jahrhunderts sind nicht zimperlich mit Frauen (Schlag auf die Nase), Verachtung des Mannes für die Frau, diese gehört in die Kemenate (geht bis ins 16. Jahrhundert im Landadel).

Auch die Burgherrinnen haben lebhafte Leidenschaften und Temperament. Es entwickelt sich eine friedlichere Geselligkeit um die Herrin des Hofes, aber nur in den wenigen großritterlichen Höfen.

Hier tritt die kriegerische Funktion der Männer bis zu einem gewissen Grade zurück. Hier lebte zum ersten mal in der weltlichen Gesellschaft eine größere Anzahl von Menschen, auch von Männern in hierarchischer Ordnung und in beständiger, sehr enger Verflechtung unter den Augen der Zentralperson des Territorialherrn.

Das allein zwang alle Abhängigen zu einer gewissen Zurückhaltung. Hier war eine Fülle von unkriegerischer Verwaltungsarbeit. All das schuf eine friedlichere Atmosphäre. Wie überall dort, wo die Männer zum Verzicht auf körperliche Gewalt gezwungen sind, stieg das soziale Gewicht der Frauen.
Hier im Inneren der großen Feudalhöfe, stellte sich ein gemeinsamer Lebensraum, eine gemeinsame Geselligkeit von Männern und Frauen her (S. 109).

Die Frau war dem Mann in der Sphäre der friedlichen Geselligkeit überlegen. So entstanden hier auch zuerst um die Frauen Zirkel friedlicher, geistiger Regsamkeit. Im vornehmen Kreis war während des 12. Jahrhunderts die Bildung der Frau durchschnittlich feiner als die des Mannes.

Die Form der menschlichen Beziehung, die der Troubadourlyrik und dem Minnesang zugrunde liegt ist diejenige des sozial niedriger stehenden Mannes zu der sozial höher stehenden Frau.
Hier eine Nötigung des An-sich-haltens, zur Versagung, zur Bändigung der Triebe.

Es ist kein Zufall, dass sich hier in dieser menschlichen Situation als gesellschaftliches Phänomen das herausstellt was wir 'Lyrik' nennen, und jene Umformung der Lust, jene Tönung des Gefühls, jene Sublimierung und Verfeinerung der Affekte, die wir 'Liebe' nennen.
Dies ist die Situation und die Gefühlslage des Minnesanges.

Die Entstehung des Minnesanges ist nicht allein aus literarischen Antezedentien zu verstehen.
Warum blieben Marien- und Vagantenlyrik nicht auch weiter vorherrschende Ausdrucksformen der Gesellschaft?
Was sind die Dynamismen der Bewegung, welches die gestaltenden Kräfte der geschichtlichen Veränderung?

Die Quellenforschung, die Untersuchung der Antezedentien hat gewiss eine Bedeutung, aber ohne soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen bleibt seine Entstehung, sein Lehnszusammenhang dunkel.

Die großen geschichtlichen Veränderungen haben ihre strikte Gesetzmäßigkeit (S. 113).

20070526

Feudalismus Feudalsystem zt-46

Die Expansionsbewegung kam im 11. Jahrhundert allmählich zum Stehen. Die Kriegerbevölkerung wuchs weiter. Das so genannte Feudalsystem das im 12. Jahrhundert deutlicher hervortritt, ist nichts anderes als die Abschlussform dieser Expansionsbewegung im agrarischen Sektor der Gesellschaft; im städtischen hält diese Bewegung noch etwas an und findet ihre Abschlussform im geschlossenen Zunftsystem.

Die Besitzverhältnisse versteifen sich. Der Aufstieg wird immer schwerer. Auch die Standesunterschiede versteifen sich. Die Hierarchie in der Adelsschicht, die den verschiedenen Größenordnungen des Landbesitzes korrespondiert, tritt immer deutlicher hervor.

Die verschiedenen Titel verbinden sich mit dem Namen eines bestimmten Hauses als Ausdruck für die Größe seines Bodenbesitzes und damit auch seiner militärischen Macht.

Herzöge, Grafen (Comtes), Schiffseigners (Sires). Jeder hält was er kann. Er lässt sich von oben nichts mehr entreißen. Und es kann von unten niemand mehr hinein. Das Land ist verteilt. Aus einer Gesellschaft mit relativ offenen Chancen, wird im Laufe einiger Generationen eine Gesellschaft mit mehr oder weniger geschlossenen Positionen (S. 77).

Manfrau erkennt solche Perioden schon von weitem an einer gewisseren Verdüsterung der Seelen, mindestens bei den zu kurz Gekommenen, an einer Verhärtung und Erstarrung der gesellschaftlichen Formen, an den Sprengungsversuchen von unten und, wie gesagt, an dem stärkeren Zusammenschluss der Gleichgelagerten in hierarchischer Ordnung.

Die einzelnen Krieger sind nun im weiten Gebiet isolierter als zuvor. Neue Beziehungsformen werden hergestellt. Der Einzelne hat keine andere Möglichkeit sich gegen sozial Stärkere zu schützen, als die sich in den Schutz eines Mächtigeren zu stellen!

Individuelle Angewiesenheiten stellen sich her. Man geht Bündnisse ein. Der im Heer höher Rangierende ist 'Lehnsherr', der sozial Schwächere der 'Vasall'.

Individuelle Bündnisse sind zunächst die einzige Form in der die Menschen vor den Menschen Schutz finden können.

Das Feudalsystem steht in einem eigentümlichen Kontrast zur Stammesverfassung. Mit deren Lösung entstehen neue Integrationsformen und ein mächtiger Schub von Individualisierung.

Es ist eine Individualisierung relativ zum Stammesverband und zum Teil auch relativ zum Familienverband. Der Lehnsschwur ist nichts anderes als die Besiegelung des Schutzbündnisses zwischen einzelnen Kriegern, als die sakrale Verfestigung der individuellen Beziehung zwischen einem Boden vergebenden und schützenden Krieger und einem Dienste vergebenden Krieger.

Der König am einen, der Leibeigene am anderen Ende. Alle Stufen dazwischen haben ein Doppelgesicht. Sie haben nach unten Land und Schutz und nach oben Dienste zu vergeben. Aber dieses Geflecht von Angewiesenheiten des jeweils Höheren auf (kriegerische) Dienste barg Spannungen in sich.

In einer bestimmten Phase ist immer und überall im Abendland die Angewiesenheit der jeweils Höheren auf Dienste größer als die Angewiesenheit der jeweiligen Vasallen, wenn sie einmal über ein Stück Land verfügen, auf Schutz. Das gibt den zentrifugalen Kräften in dieser Gesellschaft, in der jedes Stück Land seinen Herren ernährt, ihre Stärke.

Warum macht der König nicht seine 'Rechtsansprüche' geltend?

Es handelt sich hier nicht um das, was man in einer differenzierten Gesellschaft 'Rechtsfragen' nennt. Die Rechtsformen entsprechen in jeder Zeit dem Aufbau der Gesellschaft.

Das Recht ist nicht vom Himmel gefallen. Es ist wie in jeder Gesellschaft, Funktion des Gesellschaftsaufbaus, Ausdruck der gesellschaftlichen Stärkeverhältnisse, Symbol für den Angewiesenheits- und Abhängigkeitsgrad der verschiedenen sozialen Gruppen oder für die gesellschaftlichen Stärkeverhältnisse (S. 82).

In der feudalen Gesellschaft gab es keine stabile Machtapparatur über das ganze Gebiet hin. Die Besitzverhältnisse regulierten sich unmittelbar nach dem Maß der wechselseitigen Angewiesenheit und der tatsächlichen gesellschaftlichen Stärke. Es ist geradezu die Voraussetzung für das Verständnis der feudalen Gesellschaft, dass man die eigenen 'Rechtsformen' nicht als das Recht schlechthin betrachtet.

Jeder Ritter hatte ein Schwert, jeder Ritter hatte ein Recht.

Zur gesellschaftlichen Stärke: Die gesellschaftliche Stärke eines Mannes ist, der Chance nach, in der feudalen Kriegergesellschaft genau so groß, wie der Umfang und die Ergiebigkeit des Bodens, über den er faktisch verfügt.

Wer nicht kämpfen kann, hat kaum eine Chance. Aber wer einmal in dieser Gesellschaft über ein größeres Stück Land verfügt, besitzt als Monopolist des in dieser Gesellschaft wichtigsten Produktionsmittels eine gesellschaftliche Stärke, nämlich Chancen über seine persönliche individuelle Kraft hinaus.

Dass seine gesellschaftliche Stärke so groß ist, wie der Umfang und die Ergiebigkeit der Böden, über die er tatsächlich verfügt heißt zugleich: sie ist so groß, wie sein Gefolge, sein Heer, seine kriegerische Stärke.

Damit ist auch klar, dass er auf Gefolgsleute angewiesen ist. Und das ist ein Element in deren gesellschaftlicher Stärke. Das politische Spiel selbst würde manches von seinem Hasard-Charakter und seinen Mysterien verlieren, wenn das Geflecht der gesellschaftlichen Stärkeverhältnisse aller Länder in Analysen einigermaßen offen läge (S. 84).

Auch in den Beziehungen zwischen den Staaten, entscheidet ganz unverhüllt die gesellschaftliche Stärke.

Es fehlt in dieser Zeit eine um greifende Machtapparatur, die einem solchen zwischenstaatlichen Recht Rückhalt geben könnte.

Bei einem Völkerrecht ohne Machtapparatur bedeutet das bloß eine Regulierung nach gesellschaftlichen Stärkeverhältnissen und dass ein Machtzuwachs eines Landes, bei wachsender Verflechtung, eine Schwächung der gesellschaftlichen Stärke anderer Länder bedeutet (S. 85).

Es ist mehr als eine zufällige Analogie, die zwischen dem Verhältnis der einzelnen Burgherren in der feudalen Gesellschaft und dem von Staaten in der industriellen besteht!

Die Beziehungen der einzelnen Burgherren untereinander ähneln denen der heutigen Staaten. Um so unmittelbarer entscheidet für das Verhältnis zwischen den Einzelnen ihr Kriegspotential, Größe des Gefolges, des Bodens. Kein Treueschwur, kein Vertrag hält Veränderungen der gesellschaftlichen Stärke stand. Die Vasallentreue regulierte sich letzten Endes immer ganz genau nach dem tatsächlichen Maß von Angewiesenheit zwischen dem Spiel von Angebot und Nachfrage.

Boden ist in der feudalen Gesellschaft immer 'Eigentum' dessen, der tatsächlich darüber verfügt, der die Besitzrechte wirklich ausübt und stark genug ist es zu verteidigen.

Der, der Böden verlehnen muss um Dienste zu bekommen befindet sich daher im Nachteil. Der 'Lehnsherr' hat das 'Recht' auf den verlehnten Boden, aber der Belehnte verfügt tatsächlich darüber. Der Lehnsherr kann manche vom Boden verjagen aber er kann es nicht mit allen machen, da er Dienste der Krieger braucht um andere Krieger zu verjagen. Den Kriegern die ihm halfen, muss er wieder Boden geben usw.

So zerfällt das westfränkische Reich in eine Fülle kleinerer Herrschaftsgebiete. Feudalisierung ist nichts anderes als die Desintegrierung des Besitzes, der Übergang des Bodens aus der Verfügungsgewalt der Könige in die abgestufte Verfügungsgewalt der Kriegergesellschaft im ganzen (S. 88).


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Literatur und Quellenhinweis:
Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation
Band 2 Erstmals veröffentlicht 1936
Francke Verlag: 1969 2. Auflage
Suhrkamp: 1976 1. Auflage
19. Auflage 1995
Exzerpt und Gestaltung: Transitenator
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Transitenator

Hier im Transitenator Blog sind bis jetzt folgende Themen zur Sprache
gekommen. Zivilisation, Kultur, Konflikt. Genauere Aufzählung bitte
siehe unten.
Die Literatur dafür war bis jetzt vornehmlich von Norbert Elias und
Ralph Dahrendorf, nämlich 'der Prozess der Ziviliation' von Norbert
Elias und 'der moderne soziale Konflikt' von Ralph Dahrendorf. Diese
Bücher sind ihr Geld wert, sind auch nicht teuer und sollten in keiner
Bibliothek fehlen. Hier auf diesem Blog finden Sie/Du den schnellen
Einstieg ins Thema und hier kann auch der zufällig vorbei kommende
Blogbesucher sich auf unkomplizierte Weise schnell informieren.
Diese Themen mögen auch interessant sein für neue Staatsbürger, weil
manfrau hier doch einen etwas tieferen Hintergrund unserer europäischen
Kultur und Zivilisation erfahren kann.
Was mir selber an meinen 'Exzerpten', Abschreibungen ('Emanuensis')
etc., mißfällt ist die hier noch immer zu findende geschraubte Sprache
der Sozialwissenschaftler. Ich halte dafür, wichtige Werke für die
Allgemeinheit rück zu übersetzen, damit möglichst jeder (nämlich manfrau
:-)) sich sein/ihr Stück abschneiden kann. Emanzipation!?
Halt für jene, die es interessiert. Danke für Ihr/Dein Interesse!

Bisherige Themen bei Transitenator:

o Kreuzzüge Mittelalter Geld Wirtschaft zt-45
o Geschichtsforschung Völkerwanderung Übervölkerung
o Feudalisierung Courtoisie Naturalwirtschaft zt-43
o Mittelalter Karl Pippin Hof Leben
o Begrifflichkeit Sprache Wirklichkeit zt-42
o Zentralisierung Höfische Gesellschaft Absolutismus
o Langzeitarbeitslosigkeit Entfremdung Anomie sk-33
o Multikultur Bürgerrechte Separatismus Fundamentalismus
o Unterklasse Unterschicht Ghettoisierung sk-31
o Arbeitslosigkeit Vollbeschäftigung Bürgerstatus sk
o Postindustrialismus Kasino Kapitalismus sk-29
o Demokratiserung Sozialstaat Bürokratie sk-28
o 'Grenzen' des Wachstums sk-27
o Weltordnung Macht Politik sk-26
o 1968 Demokratisierung Konsens sk-25
o Klassenkampf Korporatismus Institutionalisierung
o Konvergenz Sozialismus Offene Gesellschaft sk-23
o Wirtschaft Wachstum Verteilung sk-22
o Totalitarismus-Diktatur-Bürokratie-Autoritarismus
o Weltkriege, Proletariat, Totalitarismus, Dahrendorf
o Deutschland Wirtschaftswachstum ohne bürgerliche
o Großbritannien Innovative Politik ohne
o U.S.A.- Soziale Voraussetzungen politischer
o Max Weber, Politik, Ohnmacht, Bürokratie, sk-16
o Eliten, Klassen, sozialer Wandel, Politik, sk-15
o Ritter, Mittelalter, Herrenbewusstsein, zt-40
o Kampf, Konflikt, Angst, Lust, Zivilisation zt-39
o Zivilisation, Über-Ich, Konditionierung, Manipulation
o Zivilisation, Sex, Ehe, Emanzipation, zt-36
o Globalisation, Globalisierung, Wettbewerb, Androsch
o Verhalten im Mittelalter, Schlafen, zt-36
o Verhalten im Mittelalter, Spucken, zt-35
o Verhalten im Mittelalter, Schneuzen, Konditionierung
o Zivilisationskurve, Schamgrenze, Notdurft, zt-33
o Messer Affekt, Gabel Inkarnation Emotion zt-32
o Fleisch Esser, Tier-Leichen hinter die Kulisse,
o Rationale Einsicht ist nicht Motor der Zivilisation
o Höfische Modellierung des Sprechens, Sprache-
o Kurve der Zivilisation des Essens. zt-28
o Aufstieg und Abstieg der Begriffe 'Courtoisie'
o Ausbreitungsrichtung von Verhaltensweisen zt-26
o Fehlende Identifizierung mit der Oberschicht
o Verhaltensänderung in der Renaissance zt-24
o Gabel als Luxus-Instrument zt-23
o Gutes Benehmen im Mittelalter zt-22
o Erasmus von Rotterdam und mittelalterliche Umgangsformen
o Unbehagen, Peinlichkeit, Zivilisation zt-20
o Zivilisation & Selbstbewusstsein zt-19
o Quesnay zt-18
o Physiokratismus zt-17
o Durchdringung bürgerlicher Kreise zt-16


* KORPORATISMUS sk-14
* KULTUR & BILDUNG zk-15
* TRANSFORMATION der GESELLSCHAFT zk-14
* SPRACHE als STANDESMERKMAL zt-13
* ZIVILISIERUNG & HÖFLICHKEIT zt-12
* TRANSITENATOR
* ZIVILISATION im BEWUSSTSEIN zt-11
* UNWIRKLICHE VERNUNFT? sk-13
* INNERE EMIGRATION sk-12
* GRUNDEINKOMMEN sk-11
* KONFLIKT Index
* ELIAS Index Band 2
* INDEX Elias Band 1
* PLAGIAT & GLUTZÜNDEL wt-03
* SCHIZOPHRENE BÜRGER? sk-10
* SCHWELLENLAND & BÜRGERRECHT sk-09
* ALTER HUT: KLASSENKONFLIKT sk-08
* SCHWEBENDE WERTE sk-07
* LEBENSCHANCEN & ZIVILISATION sk-06
* MACHT DEMOKRATIE REICH? sk-05
* EINTRITTSKARTEN sk-04
* REVOLUTION & SCHWÄCHE sk-03
* REVOLUTIONEN & LEBENSCHANCEN sk-02
* SOZIALER KONFLIKT - DAHRENDORF sk-01
* VERHALTENSWEISEN & ZIVILISATION zt-10
* ANGEWIESENHEIT AUFEINANDER zt-09
* OH MY GOSH!!!??? ENGLISH?
* KÄFIGE & MAUERN zt-08
* FENSTERLOSIGKEIT & SELBSTDISTANZ zt-07
* THEORIE als WÜNSCHELRUTE zt-06
* IDEALBILDER & THEORIETYPEN zt-05
* ORIENTIERUNG an der ZUKUNFT zt-04
* FIGURENWANDEL PROZESSKABINE zt-03
* IRRATIONALER KLIMAWANDEL
* PROZESS besser als ZUSTAND zt-02
* 'SCIENCE' fights against 'RELIGION'?
* NORBERT ELIAS PROZESS der ZIVILISATION zt-01

20070524

PRESSE Mitteilung Erasmus Transitenator Eurasmus


Ursprünglicher Post gelöscht.

Misere mei, Deus, secundum magnam misericordiam tuam.






:-)

:-)

20070523

Kreuzzüge Mittelalter Geld Wirtschaft zt-45

Im Mittelalter: Boden wird knapp. Innere und äußere Kolonisation gehen Hand in Hand. Am Beginn der Kreuzzüge stehen der Druck und die verschlossenen Chancen in der Heimat; die Auswanderung Einzelner und deren Erfolg ziehen andere nach sich. Das Ganze war eigentlich nicht geplant. Kreuzfahrer lassen sich vom oströmischen Kaiser die zu erobernden Länder als Lehen geben und gründen neue feudale Territorialherrschaften.

Ohne dem sozialen Druck im Inneren wäre nichts zustande gekommen.

Die Spannungen im Innern dieser Gesellschaft kamen nicht nur als Verlangen nach Boden und Brot zum Ausdruck. Sie lasteten als seelischer Druck auf dem ganzen Menschen. Der gesellschaftliche Druck gab die bewegende Kraft, wie ein Motor Strom gibt.
Er setzte die Menschen in Bewegung. Die Kirche lenkte die vorgegebene Kraft. Sie nahm die Not auf und gab ihr eine Hoffnung und ein Ziel außerhalb Frankreichs. Sie gab dem Kampf um neue Böden einen umfassenden Sinn und eine Rechtfertigung. Sie ließ ihn zu einem Kampf für den Glauben werden. Die Kreuzzüge sind eine spezifische Form der ersten großen Expansions- und Kolonisationsbewegung des christlichen Abendlandes.

Wenn dann der Prozess der Zivilisation, mit ihm die Bindung und Regelung des Trieblebens, fortschreitet (in den oberen Schichten stärker), dann nimmt auch der Kinderreichtum langsam ab.

Aber in jener ersten Phase vermehrten sich die Herrschenden des Kriegerstandes so rasch wie die unteren Karnickel. Es bildet sich eine Reservearmee der Oberschicht. Die abendländische Ausbreitungsbewegung bekam den Hauptimpuls aus der Landnot der Ritter. Neue Böden konnten nur mit dem Schwert erobert werden.

Der Menschenüberschuss der Oberschicht, des Adels, gab dieser ersten Expansions- und Kolonisationsperiode ihr besonderes Gepräge. Die Abgedrängten aus der Nicht-Adeligen Schicht bilden das Menschenmaterial der werdenden Stadtkommunen.

Die Habenichtse unter den Rittern zeigen sich in den Jahrhunderten unter den verschiedensten sozialen Charaktermasken: Kreuzritter, Raubritter, Bandenführer, Soldritter, Minnesänger..

Jedes Stück Land kommt in festen Besitz. Die Nachfrage nach Land bleibt bestehen oder wächst noch. Drang nach neuen Böden. Manfrau hat geglaubt, das Besitzstreben sei eine kapitalistische Eigenart, aber im Mittelalter stellte Bodenbesitz die wesentliche Form des Besitzes dar.

Das Erwerbsstreben hat also hier eine andere Form und eine andere Richtung. Es verlangt andere Verhaltensweisen.

Zu dieser Zeit haben sich politische und militärische Funktionen (Aktionen) noch nicht von den ökonomischen differenziert wie später. Diese sind weitgehend identisch. Das Streben nach Reichtum = Streben nach Boden = Streben nach Macht. Der Reichste ist auch der militärisch Mächtigste.

Der Inhaber einer Gutsherrschaft stand einem anderen Gutsherrscher wie ein Staat dem anderen gegenüber. Und so ist es der einfache Mechanismus in dieser Phase der inneren und äußeren Expansion, dass sowohl die reicheren und mächtigen Ritter wie die ärmeren in Bewegung sind um den eigenen Besitz zu vergrößern. Wichtig dann die Hausmacht.

Auch die Menschen der Unterschicht wurden vom Boden abgedrängt. Hier führten die Zwänge zu einer Differenzierung der Arbeit. Die vom Boden abgedrängten Unfreien bildeten das Material für die werdenden Handwerkersiedlungen, die sich langsam an günstig gelegene Herrensitze ankristallisierten, das Material für die werdenden Städte.

Ab dem 9. Jahrhundert Agglomerationen von Menschen, Städte wäre zu viel gesagt. Es waren Festungen und zugleich landwirtschafliche Verwaltungszentren größerer Herren. Für jegliche wirtschaftliche Aktivität darin bildete allein die Gutswirtschaft, die Domäne des Gutsherrn, den Rahmen. Manfrau produzierte und konsumierte im wesentlichen auf dem gleichen Platz.

Im 11. Jahrhundert kamen diese Gebilde ins Wachsen. Man schloss sich zusammen und erzwang sich allmählich neue Rechte. Es handelt sich um die ersten Befreiungskämpfe arbeitender bürgerlicher Menschen.

Dieser langsame Auftrieb der unteren arbeitenden städtischen Schichten zu politischer Selbständigkeit, zunächst in Gestalt des Berufsbürgertums enthält den Schlüssel zu fast allen jenen strukturellen Besonderheiten durch die sich die abendländischen Gesellschaften von denen des Orients unterscheiden, und durch die sie ihr spezifisches Gepräge gewinnen (S. 60).

Eine Reihe von Handwerkersiedlungen, Kommunen erstreitet sich eigene Rechte und Rechtsprechung, Privilegien und Autonomie. Ein dritter Stand von Freien (außer Adel und Klerus) tritt neben die anderen. Die Gesellschaft expandiert gewissermaßen auch im Inneren: sie differenziert sich und setzt neue Zellen an, sie bildet neue Organe, die Städte. (Städte sind aber keine abendländische Erfindung).

Mit der wachsenden Differenzierung und neuen größeren Märkten, wächst auch der Bedarf an mobilen und einheitlichen Tauschmitteln. Die Ketten zwischen Produzenten und Konsumenten werden allmählich länger. Sind die Ketten kurz brauchts kein Geld, keine Recheneinheit, keine Tauschmittel. Nun mit der Herauslösung aus dem Gutshof, mit der Ausbildung eines wirtschaftlich selbständigen Handwerks kompliziert sich das Geflecht der Tauschakte. Die Ketten werden länger. Manfrau braucht mehr Geld.

Das Geld ist in der Tat eine Inkarnation des gesellschaftlichen Gewebes, ein Symbol für das Geflecht der Tauschakte und der Menschenketten, in die ein Gut auf dem Wege von seinem Naturalzustand zur Konsumtion gelangt. Manfrau braucht es erst, wenn sich innerhalb einer Austauschgesellschaft längere Ketten bilden, also bei einer bestimmten Bevölkerungsdichte, einer größeren, gesellschaftlichen Verflechtung und Differenzierung (S. 62). Zuerst gab es nur byzantinische Goldmünzen (Aus dem Orient).

In der Karolingerzeit reiste noch der König von Pfalz zu Pfalz, um die Produkte seiner Güter gewissermaßen an Ort und Stelle zu verzehren. Es war so beschwerlich, die Gütermengen, die man zu seiner Ernährung brauchte hin und her zu bewegen, dass sich die Menschen zu den Gütern bewegen mussten (S.64).

Das Wachstum der Binnenlandverflechtung drängte zur Entwicklung der Landverkehrsmittel. Die Landtransportmittel und Geräte zur Ausnutzung der tierischen Arbeitskraft werden verbessert. In einem gewaltigen Konstruktionseifer wird der Nutzungsbereich der tierischen Arbeit vergrößert. Das Hufeisen erscheint.

Und im 13. Jahrhundert ist im Prinzip die moderne Zugtechnik für Pferd und auch für Zugvieh geschaffen. Nun Räderkarren, Ansätze zu Straßenpflasterung. Wassermühle.

In der Antike kein genagelter Eisenhuf. Zentrierung des Hauptverkehrs um die Wasseradern ist für den Aufbau der antiken Gesellschaft nicht wenig charakteristisch. Wie schmale Nervenstränge waren die größeren, städtischen Siedlungen an den Wasserwegen entlang in die weiten Landgebiete eingelagert.

Das Meer (nostre mare) war für das Römerreich die Grundlage seiner politischen und seiner wirtschaftlichen Einheit. Die Besiedelung erfolgte um ein Meer. Nach Mohammed werden die Araber warum auch immer unternehmenslustig. Aus dem römischen Meer wird ein arabisches. Und die alte Bedeutung des Mittelmeeres als Verkehrsmittel und Bindemittel wird zerstört.


Die gesellschaftliche Verflechtung des Abendlandes war im Mittelalter anders als in der Antike. Aber es war in gewisser Hinsicht ein Aufbau auf älteren Fundamenten. Aber der Motor der Bewegung lag nicht im 'Lernen von der Antike'. Er lag im Innern dieser Gesellschaft selbst, in ihren Automatismen, in den Bedingungen, unter denen sich die Menschen miteinander einrichten mussten. Auch die Automatismen waren nicht die gleichen wie in der Antike.

Zwei Strukturunterschiede im Vergleich zur Antike:
1. Es fehlte in der Gesellschaft des Abendlandes die billige Arbeitskraft der Kriegsgefangenen, der Sklaven und
2. die Wiederbesiedelung vollzog sich im Binnenland und im Zusammenhang mit Landverkehrsadern.

Was geschieht bei Sklaverei?
Diese treibt die Freien aus der Arbeit (als einer unwürdigen Beschäftigung). Es bildet sich neben einer nichtarbeitenden Oberschicht eine nichtarbeitende Mittelschicht. Die Reproduktion des Kapitals ist an die Reproduktion der Sklaven gebunden.

(Anmerkung: Hier werden rationale Motive unterstellt. Das beantwortet aber nicht, warum manfrau keine Sklaven mehr 'gemacht'/gehabt hat. War es lustiger die Gefangenen zu metzeln und zu verstümmeln und dann selber zu arbeiten oder hatte man eh schon genügend Quasi-Sklaven, also Leibeigene und Ähnliches? Viel später in Amerika gab es wieder Sklaverei. Eine Reihe von Fragen bezüglich der Sklaverei bleibt hier offen).

Das Fehlen von Sklavenimporten und von Sklavenarbeit gibt den Arbeitenden auch als Unterschicht, ein beträchtliches, gesellschaftliches Schwergewicht. In der Folge (z.B. heute) zieht die abendländische Gesellschaft bei wachsender Abhängigkeit aller von allen, die ehemals nicht arbeitenden Oberschichten in den Kreislauf der Arbeitsteilung hinein. Auch die technische Entwicklung und die Entwicklung des Geldes hat das Fehlen von Sklavenarbeit und die Entwicklung freier Arbeit zur Voraussetzung.

Das Mittelalter war keine statische Periode (versteinerter Wald), es gab Phasen voller Bewegung, Expansion, fortschreitende Arbeitsteilung, gesellschaftliche Transformationen und Revolutionen, Verbesserung der Arbeitsgeräte und Transportgeräte (S. 75).

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Literatur und Quellenhinweis:
Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation
Band 2 Erstmals veröffentlicht 1936
Francke Verlag: 1969 2. Auflage
Suhrkamp: 1976 1. Auflage
19. Auflage 1995
Exzerpt und Gestaltung: Transitenator
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20070518

Geschichtsforschung Völkerwanderung Übervölkerung zt-44

Elias kritisiert die ältere Geschichtsforschung, sie habe zur Feudalisierung keinen rechten Zugang gefunden.

Die Neigung, von einzelnen Urhebern her zu denken, die Denkgewohnheiten, nach den individuellen Schöpfern gesellschaftlicher Transformationen zu fragen oder allenfalls in den gesellschaftlichen nur die juristischen Institutionen zu sehen und die Vorbilder (Antezedentien) zu suchen, nach denen sie von Diesem oder Jenem geschaffen wurden, alles das machte diese Prozesse und Institutionen so unangreifbar für das nachdenkende Bewusstsein, wie es ehemals für die scholastischen Denker die Naturprozesse waren (S. 37).

Aber es handelte sich dabei (z.B. Lehnswesen) nicht um irgendwelche planmäßigen Schöpfungen einzelner Menschen oder um Institutionen, die manfrau aus irgendwelchen älteren Institutionen erklären könne.

Bei der Feudalisierung, sagt Dopsch, handelt es sich um Einrichtungen, die nicht von Staaten oder Trägern der Staatsgewalt planmäßig und aus bewusster Absicht ins Leben gerufen wurden, um bestimmte politische Ziele verwirklichen zu können.

Calmette: So verschieden das Feudalsystem von dem vorangehenden ist, es geht direkt aus ihm hervor. Kein individueller Wille hat es erzeugt. Es ist gewissermaßen ein Naturgeschehen, oder Naturtatsache der Geschichte. Ihre Formation war gewissermaßen durch mechanische Kräfte bedingt und ging Schritt für Schritt voran.

Antezedentien, also ähnliche vorausgehende Phänomene, sind nicht die einzigen Faktoren.

Es kommt nicht darauf an zu wissen, woher es kommt, sondern warum dieses Element diesen speziellen Charakter bekommen hat und nach diesem Geheimnis kann manfrau weder Römer noch Germanen fragen.

Die entscheidende, geschichtliche Frage ist hier, warum sich Institutionen oder etwa auch das Verhalten und die Affektlage ändern, und warum sie sich gerade in dieser Weise ändern.

Die Frage geht auf die strenge Ordnung der geschichtlich-gesellschaftlichen Wandlungen (Anmerkung: siehe I-Ging :-).

Diese Wandlungen sind nicht aus etwas zu erklären, das sich gleich bleibt.

In der Geschichte wirkt nie ein isolierbares Faktum für sich allein gestaltend und umgestaltend, sondern immer in seiner Verflechtung mit anderen.

Und unaufschließbar bleiben diese Wandlungen auch, solange man sich zu ihrer Erklärung auf die Ideen Einzelner beschränkt. Wenn manfrau nach den gesellschaftlichen Prozessen fragt, muss manfrau unmittelbar im Geflecht der menschlichen Beziehungen in der Gesellschaft selbst die Zwänge suchen die sie in Bewegung halten.

Das gilt beispielsweise von der Feudalisierung und Arbeitsteilung (oft wird mit dem Haarnadelbeispiel von Adam Smith so getan als hätte er die Sache erfunden).

Einzelprozesse, werden in unserer Begriffsapparatur nur durch Worte ohne Prozesscharakter, durch im Prozess gebildeter Institutionen (Absolutismus, Kapitalismus, Naturalwirtschaft..) repräsentiert.

Diese Einzelprozesse weisen auf Veränderungen im Aufbau der menschlichen Beziehungen, die offensichtlich nicht von Einzelnen geplant waren, denen die Einzelnen sich unterwerfen mussten, ob es ihnen lieb war oder nicht.

Einer der wichtigste Motoren der Veränderung im Aufbau der menschlichen Beziehungen und der Institutionen, die ihm entsprechen, ist die Vermehrung oder die Verringerung der Bevölkerung. Sie bildet im Wechselspiel der veränderten Faktoren ein wichtiges, nie außer acht zu lassendes Element.


Was geschah in der Völkerwanderungszeit?

Neue Schübe von Osten, Norden und Süden. Hellenische, italische, germanische, slawische Barbaren bzw. Stämme dringen in die Binnenräume Europas. Resultat: Es gibt keine freien Räume mehr. Damit eine neue Lage. Dann gerät die Bevölkerung ins Wachstum (ab etwa 9. Jahrhundert).

Damit verändert sich das Spannungssystem. (Siehe kurzen Rückblick auf die Antike S. 42 u. 43). Was hat manfrau unter dieser Übervölkerung zu verstehen? Nicht die absolute Anzahl der Menschen ist dafür verantwortlich.

Übervölkerung nennen wir zunächst ein solches Wachstum der Bevölkerung eines bestimmten Gebietes, dass bei dem bestehenden Gesellschaftsaufbau für immer weniger Menschen die Befriedigung ihrer Standardbedürfnisse möglich ist.

Die Symptome einer solchen gesellschaftlichen Übervölkerung sind:

1. Abschließung derer, die haben, von jenen die nicht haben weiters

2. stärkerer und betonterer Zusammenschluss der Menschen in gleicher, sozialer Lage zur Abwehr der an drängenden Außen stehenden oder zur Eroberung der von anderen monopolierten Chancen.

3. Weiters verstärkter Druck auf Nachbargebiete, Antrieb zur Eroberung und


4. verstärkte Auswanderungstendenzen, oder Besiedelung neuer Böden.

Diese Symptome sind besonders deutlich im westfränkischen Reich. Geringe Möglichkeiten einer Expansion. Neue Böden im Inneren werden gesucht. Rodungen. Sümpfe trockengelegt.

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Literatur und Quellenhinweis:
Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation
Band 2 Erstmals veröffentlicht 1936
Francke Verlag: 1969 2. Auflage
Suhrkamp: 1976 1. Auflage
19. Auflage 1995
Exzerpt und Gestaltung: Transitenator
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20070517

Feudalisierung Courtoisie Naturalwirtschaft zt-43

Manfrau sieht zunächst, wie und warum in der frühen vorwiegend natural wirtschaftende Phase der abendländischen Geschichte die Integration und die Errichtung stabiler Herrschaftsapparaturen für große Reiche noch wenig Chancen hat.

Erobererkönige können zwar im Kampf riesige Gebiete zusammen bringen und mit dem Ansehen ihres Schwertes auch zusammen halten, aber der Aufbau der Gesellschaft erlaubt noch nicht die Schaffung einer stabilen Herrschaftsorganisation.

Im 9. u. 10. Jahrhundert mit der geringeren äußeren Bedrohung erreicht die Desintegration der Herrschaftsfunktionen einen außerordentlich hohen Grad. Jedes kleine Gut ist ein Herrschaftsbezirk, ein 'Staat' für sich und jeder kleine Ritter dessen ist unabhängiger Herr und Gebieter.

Die gesellschaftliche Landschaft zeigt nichts als eine Fülle von durcheinander gewürfelten Herrschafts- und Wirtschaftseinheiten; jede von ihnen ist autark und ohne größere Abhängigkeit von anderen.

In der weltlichen Herrenschicht ist die Integration durch den Kampf in Angriff oder Verteidigung die wesentliche Form der Verflechtung. Da ist nicht viel, was die Menschen der Herrenschicht zu einer beständigen Bändigung der Affekte bringen kann.

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Literatur und Quellenhinweis:
Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation
Band 2 Erstmals veröffentlicht 1936
Francke Verlag: 1969 2. Auflage
Suhrkamp: 1976 1. Auflage
19. Auflage 1995
Exzerpt und Gestaltung: Transitenator
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Anmerkung: Die Exzerptreihen hier auf Transitenator sind nur gedacht als eine schnelle Orientierungshilfe und können die jeweilige Literatur nicht ersetzen.
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Es ist eine 'Gesellschaft' im weitesten Sinn des Wortes. Es ist noch keine Gesellschaft in dem Sinn auf eine beständige und gleichmäßige Integration von Menschen mit mehr oder weniger großer Enthaltsamkeit von Gewalttaten.

Die Frühform einer solchen 'Gesellschaft' bildet sich langsam an den großritterlichen Feudalhöfen heraus. Hier mit der Größe der Gutserträge, dem Anschluss an das Handelsnetz, mehr Menschen Dienste suchend, hier sind mehr Menschen zu einem friedlichen Umgang gezwungen und verbunden.

Gegenwart höher stehender Frauen, eine gewisse Zurückhaltung und etwas genauere Modellierung der Affekte und Umgangsformen. Die Courtoise ist ein Schritt auf dem Weg, der zu unserer Triebmodellierung führt, ein Schritt in Richtung der 'Zivilisation'.

Elias frägt: Was sind Grundlinien aus dem Triebwerk der gesellschaftlichen Prozesse, die zur Gestaltung der Gesellschaft im Sinne des 'Feudalsystems' führen und zu Beziehungen, die sich im Minnesang ausdrücken?

1. Das raschere Wachstum der Bevölkerung nach der Völkerwanderungszeit im Zusammenhang mit den immer festeren Besitzverhältnissen, sowie die Bildung eines Menschenüberschusses in der Adelsschicht, wie in der Schicht der Unfreien oder Halbfreien, und der Zwang für die Freigesetzten hier und dort, sich neue Dienste zu suchen.

2. Das langsame Einschalten von Stationen in den Weg der Güter von der Produktion zur Konsumtion, das Wachstum des Bedarfs an einheitlichen mobilen Tauschmitteln, die Verschiebung des Schwergewichts innerhalb der Feudalgesellschaft zugunsten der relativ wenigen großen, zu Ungunsten der vielen kleineren Herren.
Die Bildung groß ritterlicher Feudalhöfe, wo sich ritterlich-feudalen Züge mit höfischen zu einer Einheit verbinden sowie naturalwirtschaftliche und geldwirtschaftlichen Beziehungen im Ganzen dieser Gesellschaft.

3. Das Prestige- und Repräsentationsbedürfnis dieser großen Feudalherren im Konkurrenzkampf untereinander; ihr Distinktionswillen gegenüber den kleineren Rittern; als Ausdruck dessen werden Dichter und Sänger zu festen gesellschaftlichen Institutionen.

4. Erste Vorformen einer Emanzipation, einer größeren Bewegungsfreiheit der Frau. Ein Zwang zum An-Sich-Halten für den sozial abhängigen Mann, zu Rücksicht, zu einer gewissen noch sehr gemäßigten Regelung und Umformung des Trieblebens und Ausdruck solcher schwer verwirklichbarer Wünsche in der Sprache des Traums, im Gedicht. Minnesang als gesellschaftliche Institution.

An den großritterlichen Feudalhöfen bildet sich eine festere Konvention der Umgangsformen, eine Mäßigung der Affekte, eine Regelung der Manieren heraus. Es bildet sich der Standard der 'Courtoisie'.

Die Soziogenese der großen ritterlichen Feudalhöfe ist zugleich die Soziogenese dieses courtoisen Verhaltens.

Courtoisie ist eine Verhaltensform die sich bei den sozial-abhängigeren Existenzen im geselligen Kreise dieser ritterlich-höfischen Oberschicht herausbildete. Er ist kein Anfang. Es gibt keinen Zustand der absoluten Trieb-Ungebundenheit oder des 'Anfangs'.

Die relativ große Ungebundenheit der Triebäußerungen in der courtoisen Oberschicht entspricht genau der Integrationsform, dem Maß und der Art von wechselseitiger Abhängigkeit, in der die Menschen hier miteinander zu leben gehalten sind.

Das gesellschaftliche Geflecht der Abhängigkeiten, die sich in einzelnen Maschen kreuzen, ist hier weniger engmaschig und weniger weit reichend als in Gesellschaften mit höherer Arbeitsteilung. Regelungen und Bindungen des Trieblebens sind an den größeren Feudalhöfen beträchtlich größer als an den kleineren.

Hier stellt die Courtoisie eine Verfeinerung, ein Distinktionsmittel dar. Das Gros der Ritterschaft änderte sein Verhalten vom 9. bis etwa zum 16. Jahrhundert nur so geringfügig wie sich ihre Lebensbedingungen veränderten (S. 116).(Anm.: Verhalten ergibt sich aus den Lebensbedingungen).

Das Reich Karls des Großen war durch Eroberung zusammengebracht worden. Karl mit der Funktion des erobernden Verführers. Diese bildete die Grundlage seiner Königsmacht, seines Ansehens, seiner gesellschaftlichen Stärke.

Er belohnte die Krieger mit Boden. Dienste wurden nicht mit Geld bezahlt, sondern mit Boden. Der größte Teil des Bedarfs wurde unmittelbar vom Boden gedeckt. Alle ernährten sich und ihr Gefolge vom Land.

Die Herrschaftsstruktur hatte entsprechend der Wirtschaftsstruktur einen anderen Charakter als in der Zeit der 'Staaten'. Der Gutsherr hatte Polizei- und Gerichtsgewalt. Der Gutsherr vereinte in seiner Hand alle Herrschaftsfunktionen.

Diese eigentümliche Herrschaftsstruktur ist Beispiel für den Stand der Arbeitsteilung und Differenzierung in dieser gesellschaftlichen Phase. Sie führte zu bezeichnenden Spannungen und erzeugte bestimmte typische Abläufe.
Also hohe Bedeutung des Bodens. Landbesitz gibt Nahrung (Einkommen), Frondienste, Unabhängigkeit.

Wer einmal über ein bestimmtes Gebiet verfügte, war auf den Zentralherrn nicht mehr angewiesen und suchte Unabhängigkeit bei Anzeichen von Schwäche der Zentralgewalt.

Die Herren über ein Teilgebiet des Zentralherren, die Stammesherzöge sind jederzeit der Zentralgewalt gefährlich. Dieses Spiel wiederholt sich ständig. Was ursprünglich ein Lehen war soll erblich werden.

Immer neue Schübe von kriegsstarken Erobererkönigen die ihre Vertrauten ins Land schicken, die dann wieder ihre Hand drauf legen und die Sache behalten wollen. Die Stammesfürsten haben ja tatsächlich das Land zu eigen, brauchen den König nicht mehr und entziehen sich seiner Gewalt.

Ist der Zentralherr im Krieg erfolgreich, erhält er durch die Kraft und Bedrohung, die von seinem Schwert ausgeht, wieder die tatsächliche Verfügung über die Böden des ganzen Gebiets und kann eine Neuverteilung dieser Gebiete vornehmen.


Das ist eine der stehenden Figuren oder Prozesse im Entwicklungsmechanismus der abendländischen Gesellschaft im frühen Mittelalter.

Solche Prozesse findet man noch heute außerhalb Europas, werden aber durch das Einströmen von Geld modifiziert.

In diesem naturalwirtschaftlichen Gebiet also zentrifugale Tendenzen. In der abendländischen Geschichte finden sich Anzeichen für diesen Mechanismus bereits in der Merowingerzeit.

Große Teile des Herrschaftsgebietes gehen aus der Verfügungsgewalt des Zentralherrn in die der Territorialherren über (S.21). Deutlicher noch in der Karolingerzeit.

Karl der Große beseitigt nach Möglichkeit die alten Stammesherzöge und setzt eigene Beamten (Grafen) an deren Stelle. Schon unter Ludwig dem Frommen wird die Grafenfunktion erblich. Die Nachfolger Karls können sich dem Zwang zur tatsächlichen Anerkennung des Anspruchs auf Erblichkeit nicht mehr entziehen.

(Anmerkung: Aber wie könnte man diesen Wunsch nach Erblichkeit noch erklären? Der Ritter wird ziemlich brutal, auch gegen seiner Frau gegenüber dargestellt. Eine Erblichkeit macht für einen 'egoistischen' Ritter keinen Sinn, sondern nur die Sorge für seine Nachkommen. Hatte er also doch ein Herz?).

Die Stärke der zentrifugalen Kräfte erreichen schon unter Karl III. im Jahre 887 einen Höhepunkt, als er die dänischen Normannen nicht von Paris fernhalten kann.

Es zeigt sich unmittelbar, was eigentlich die Macht gebende und legitimierende und wichtigste Funktion des Königtums in dieser Gesellschaft ist. Überall in Europa wachsen kleine Könige hervor.

Mit dem Sieg gegen äußere Feinde schaffen Zentralherren das Fundament für die Stärkung der Zentralgewalt im Innern. Kirchliche Organisation diente damals stärker als heute der Herrschaftssicherung (S.23).

Otto versuchte diesen Mechanismen entgegen zu wirken, einerseits dadurch, dass er einzelne Wirkungsbereiche verkleinerte und Funktionen begrenzte, andererseits dadurch, dass Geistliche -
(die sich theoretischerweise nicht fortpflanzten und damit theoretisch auch nichts vererbten, aber es tatsächlich taten?; Anmerkung)
- mit Herrschaftsbefugnissen ausgestattet wurden.

Aber diese geistlichen Würdenträger zeigten sich nicht weniger auf die Wahrung ihrer selbständigen Verfügungsgewalt über ein Gebiet bedacht, als die weltlichen.

Und diese Gleichschaltung der Interessen hoher geistlicher und weltlicher Würdenträger hat nicht wenig dazu beigetragen, dass in dem Deutschen Reich die tatsächliche Macht der Zentralgewalt für viele Jahrhunderte gering blieb und sich die Selbständigkeit der Territiorialherren verfestigte.

In Frankreich hingegen wurden die hohen Geistlichen kaum je Territiorialherren. Die Bischöfe blieben an einer starken Zentralgewalt interessiert. Und diese Gleichrichtung der Interessen von Kirche und Königtum, die ziemlich lange Bestand hatte, war nicht der geringste jener Faktoren, die in Frankreich relativ frühzeitig der Zentralgewalt ein Übergewicht über die zentrifugalen Tendenzen gab (S. 25).

Zunächst aber vollzog sich die Desintegration des westfränkischen Reiches rascher und radikaler als im ostfränkischen Reich.

Die Grundlage der gesellschaftlichen Stärke des Zentralherrn bildete, wenn manfrau von seiner 'Eroberermacht' (als Eroberer und Verteiler von neuen Böden) absieht, der Hausbesitz seiner Familie, das Land über das er unmittelbar verfügte.
Hausmacht und Territorium (Familienbesitz) waren es die zählten und waren die Basis der Königsmacht.

Am Beginn des 12. Jahrhunderts ist die uneingeschränkte Erblichkeit und Selbständigkeit der verschiedenen Territorialherrschaften, der ehemaligen Lehnsgebiete eine vollendete Tatsache.

Frankreich ist ein lockerer Bund kleinerer und größerer Herrschaftsgebiete. Das Gleiche in Deutschland am Ende dieses Jahrhunderts.

Während in 'Deutschland' sich die Territorialherrschaften für Jahrhunderte verfestigen, erstarkt in 'Frankreich' langsam wieder eine Zentralgewalt.

Das Bild dieser radikalen Desintegration muss man als Ausgangspunkt ins Auge fassen, wenn man verstehen will, durch welche Prozesse sich in der Gesellschaft jene Zentralorgane für größere Herrschaftsgebiete herausbildeten, die wir 'Absolutismus' nennen und jener Herrschaftsapparatur, die das Gerippe moderner Staaten bildet.

Die Stabilität der Zentralorgane in der Phase, die wir Zeitalter des Absolutismus nennen, steht zu der Instabilität jener Zentralgewalt der vorangehenden 'feudalen' Phase in starkem Kontrast (S. 31).

Was den Aufbau der Gesellschaft begünstigte, dort die Zentralisierung, hier die der Zentralisierung entgegenwirkenden Kräfte?

Hampe: Die Feudalisierung der Staatenwelt zwang die Herrscher ihre Truppenführer und Beamten mit Grundbesitz auszustatten (wollten sie nicht in Armut versinken oder die militärischen Gegenleistungen der Vasallen ausnutzen), so wurden sie zu kriegerischen Ausdehnungsversuchen geradezu getrieben, gegen die machtleeren Räume der Nachbarschaft.

Das war der Mechanismus in den das Königtum verstrickt war. Feudalisierung ist keine außen stehende Ursache.
Diese Verstrickungen (Automatismen):
Zwang zur Ausstattung der Krieger und Beamten mit Böden,
zwangsläufige Verringerung des Königsbesitzes (so keine neuen Eroberungsfeldzüge),
Tendenz zur Schwächung der Zentralgewalt in Friedenszeiten,
alles das sind Teilprozesse in dem großen Prozess der Feudalisierung selbst.

Diese spezifische Herrschaftsform und ihr Herrschaftsapparat waren unablösbar mit einer bestimmten Wirtschaftsform verbunden (S. 32). (Naturalwirtschaft).

Solange naturalwirtschaftliche Beziehungen in der Gesellschaft vorherrschten, war die Ausbildung eines zentralisierten Beamtentums und eines zentralisierten Herrschaftsapparates kaum möglich. Wer Wein trinken wollte, musste ihn in seinem eigenen Gebiet pflanzen lassen.

Die Interdependenzen der verschiedenen Gebiete war gering. Erst wenn diese wachsen, können sich für größere Gebiete Zentralinstitutionen von einiger Stabilität bilden.

Sehr langsam verflechten sich die verschiedenen Landschaften, die Integration größerer Gebiete und Menschenmassen wird stärker und dementsprechend auch der Bedarf an Tauschmitteln und Rechnungseinheiten, an Geld. (Erst im 17. Jahrhundert gab es in der Bourgogne 11 Gemeinden in denen jedermann Weinbauer ist).

Anmerkung von Elias: Es ist für das Verständnis des Prozesses der Zivilisation von besonderer Wichtigkeit, dass manfrau von diesen gesellschaftlichen Prozessen, von dem was
'Natural- oder Hauswirtschaft',
'Geldwirtschaft',
'Verflechtung größerer Menschenmengen',
'Änderung der gesellschaftlichen Abhängigkeit des Einzelnen',
'zunehmende Funktionsteilung' und
Ähnliches eigentlich meinen,
eine ganz anschauliche Vorstellung hat.

Allzu leicht werden diese Begriffe zu Wortfetischen, aus denen jede Anschaulichkeit verschwunden ist und damit im Grunde jede Klarheit.

Zum Beispiel der Begriff 'Naturalwirtschaft'.

Er zeigt eine ganz spezifische Form, in der die Menschen aneinander gebunden und voneinander abhängig sind. Es wird unmittelbar produziert und verbraucht. Keine Zwischenglieder. Der Weg differenziert sich. Immer mehr Menschen schalten sich als Funktionäre der Verarbeitung und Verteilung in den Übergang des Gutes vom ersten Erzeuger zum letzten Verbraucher ein.

Die 'Ketten' verlängern sich. Geld ist nichts anderes als ein Instrument, das manfrau braucht, und das die Gesellschaft sich schafft, wenn diese Ketten länger werden, wenn Arbeit und Verteilung sich differenzieren. Zwischen 'Naturalwirtschaft' und 'Geldwirtschaft' besteht kein absoluter Gegensatz.

Ketten verlagern und verändern sich allmählich. Die Abhängigkeit der Menschen voneinander verändert sich. Alles das sind verschiedene Aspekte des gleichen gesellschaftlichen Prozesses. Und eine Seite dieses Prozesses ist auch die Herrschaftsform und Herrschaftsapparatur.

Die Struktur der Zentralorgane korrespondiert mit dem Aufbau der Funktionsteilung und Verflechtung. Die Stärke der zentrifugalen, auf lokale politische Autarkie gerichteten Tendenzen in den vorwiegend natural wirtschaftenden Gesellschaften entspricht dem Grad der lokalen ökonomischen Autarkie.

In Kriegergesellschaften zwei Phasen, die Ausbreitung (Krieg, Heirat) und die Konservierung (Frieden). Bei der Ausbreitung ist die gesellschaftliche Funktion des Zentralherrn die des Heerführers.

Drang zur Eroberung und zur Verteidigung ist hier das wichtigste Bindemittel von Menschen. Nach dem Krieg bedarf man seiner nicht mehr und auch seine sekundären Funktionen (Gerichtsherr, Schiedsrichter) verlieren sich. Ist kein Feind da gewinnen die zentrifugalen Kräfte die Oberhand. Tendenz zur Desintegration der größeren Herrschaftsgebiete.

Diese allmähliche Dezentralisierung der Herrschaft und der Böden, dieser Übergang des Landes aus der Verfügungsgewalt des erobernden Zentralherrn in die Verfügungsgewalt der Kriegerkaste als Ganzem ist nichts anderes als der Prozess der unter dem Namen der Feudalisierung bekannt ist.

Gab es noch andere Ursachen für diese schrittweise Dezentralisierung? (S.37).

20070515

Mittelalter Karl Pippin Hof Leben

Ein ganz kurzer Blick ins Mittelalter
in die Zeit Karls des Großen.

Karl der Große, Charlemagne, Carolus Magnus.
Sein Titel: König der Franken, Patrizier der Römer, Erlauchter.
Der Name seines Schwertes: Joyeuse.
Seine Frauen: Himiltrude (Kinder: Pippin der Bucklige und Tochter Rothaid), weiters eine unbenannte Langobardin, die er nach einem Jahr weg schickte und Hildigard (5 Töchter, 4 Söhne). Sie heiratete Karl im Alter von 12 Jahren.

Um die Mitte des 8. Jahrhunderts begann die Kirche ihre Forderungen hinsichtlich Zeremonie und Charakter der Ehe geltend zu machen.

Die Franken waren seit dem 6. Jahrhundet getauft. Die merowingischen Herrscher hatten trotzdem die Polygamie nie aufgegeben.

Laut Bonifatius (belegter Schriftwechsel mit Rom, Papst Zacharias) hielten viele Bischöfe, vier fünf Kebsweiber.

Wenn sich also der Klerus Freiheiten herausnahm, konnte man sich nicht gut über das Verhalten der Könige beklagen.

Bonifatius war über fränkische Zustände bestürzt.

Nach germanischem Recht besaß eine Ehe Gültigkeit, wenn ihr ein Sohn entspross. Die merowingische Dynastie war Ende des 5. Jahrhunderts von Chlodwig begründet worden.
Die merowingische Tradition war heidnisch.

Die christlichen Missionare verleibten die gestürzte Religion der eigenen ein. Bischöfe waren sehr verweltlicht.

Brauch der Franken den neuen König auf den Schild zu heben.

Als Pippin, der Vater Karls, gekrönt wurde (Kirche) waren die Franken schon seit mindestens 800 Jahren mit der römischen Zivilisation in Berührung.

Zwischen Römern und Germanen hatte ein kultureller Austausch stattgefunden (S. 26).

Pippin war der erste europäische Monarch, der sich als König 'von Gottes Gnaden' bezeichnete. Seine Heiligkeit war christlichen und nicht heidnischen Ursprungs ??
Er schwur, mit der Kirche Frieden zu halten.

Mitte des 8. Jahrhunderts war der Sitz der römischen Macht in Konstantinopel und nicht in Rom. Die ganze italienische Halbinsel wurde zu einer unbedeutenden Außenprovinz.
Das Herzogtum Rom fiel fast aus Versehen unter die Herrschaft der Päpste.

Die Pippinsche Schenkung (durch Bändigung der Langobarden) schuf den Kirchenstaat, der das Papsttum für mehr als tausend Jahre zu einer weltlichen Macht innerhalb Europas machte und die Teilung Italiens bis 1870 aufrecht erhielt.

Pippin hatte die wilde Leidenschaft für die Hetzjagd, wie alle Männer des Mittelalters.
Der Hof blieb nie lange an einem Ort.


Pippin folgte dem Brauch der fränkischen Könige und reiste mit den Höflingen umher - einmal um Regierungsgeschäfte in den verschiedenen Teilen des Reiches selbst zu überwachen, zum anderen, um die Kosten seiner Hofhaltung auf die verschiedenen königlichen Güter zu verteilen (S. 47).

An der Palastschule wurden noch die sieben freien Künste des antiken Roms gelehrt: Trivium Grammatik, Logik und Rhetorik, Quadrivium Arithmetik, Musik, Astronomie und Geometrie.

Die Volkssprache hatte sich vom klassischen Latein entfernt. Die Vulgärsprache, die später das Französische ergeben sollte, entwickelte sich bereits.

Lebenslängliche Klosterhaft war der übliche Weg, sich besiegter Feinde zu entledigen.
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Quelle bzw. Literaturhinweis: Charlemagne - from the Hammer to the Cross, Richard Winston, New York, 19?? Auszug bzw. Stichworte von Transitenator.
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20070513

Begrifflichkeit Sprache Wirklichkeit zt-42

Nichts berechtigt dazu, von vornherein ein Zwangsläufigkeit dafür anzusetzen, dass gerade das Herzogtum Francien, dass die 'Isle de France' zum Kristallisationspunkt einer Nation wurde.

Was an allen größeren Herrschaftsgebieten dieser Phase zunächst in die Augen fällt, ist die geringe Stabilität ihres Zusammenhalts, die Stärke der zentrifugalen, zum Auseinanderfallen drängenden Kräfte.

Welcher Art sind diese Kräfte?

Welche Eigentümlichkeit in der Konstruktion dieser Herrschaftsgebilde gibt solchen Kräften ihre besondere Stärke?

Und welche Änderung in der Konstruktion der Gesellschaft gibt schließlich dann doch vom 15., 16. oder 17. Jahrhundert ab den Zentralgewalten ein Übergewicht über alle zentrifugalen Kräfte und damit den Herrschaftsgebieten eine größere Stabilität?

Auf diese Fragen wird in Kürze eingegangen.

Elias nun zur sprachlichen Apparatur und zur Begrifflichkeit (S.117 u. 118).
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Literatur und Quellenhinweis:
Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation
Band 2 Erstmals veröffentlicht 1936
Francke Verlag: 1969 2. Auflage
Suhrkamp: 1976 1. Auflage
19. Auflage 1995
Exzerpt und Gestaltung: Transitenator
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Es fehlt uns heute eine sprachliche Apparatur, die dem allmählichen Gleiten all dieser Prozesse angepasst ist.
Es ist ein unpräzises und vorläufiges Hilfsmittel, wenn manfrau sagt: Die Gebundenheit der Menschen und ihrer Triebäußerungen wurde 'größer', die Integration 'enger', die Interdependenz 'stärker'.
Es kommt an die geschichtlich-gesellschaftliche Wirklichkeit nicht ganz heran.

Bezeichnungen wie 'naturalwirtschaftlich', 'geldwirtschaftliche'. Der Sektor 'wuchs'.
Um wie viel wuchs er?. In welcher Weise wurden die Bindungen größer, Integration enger, Interdependenz stärker?

Unsere Begriffe sind zu undifferenziert; sie haften zu sehr am Bild materieller Substanzen. Das 'stärker' (quantitativ einer 'Substanz') heißt eigentlich 'anders' (qualitativ).

Das eigentlich meint Elias, wenn er von Verschiedenheiten der Gesellschaftsstruktur spricht. Und mit dem dynamischen Geflecht der Abhängigkeiten und Angewiesenheiten, in das ein Menschenleben versponnen ist, nehmen auch Triebe und Verhaltensweisen der Menschen andere Gestalt an; dies ist gemeint, wenn von Verschiedenheiten im Aufbau des Seelenhaushaltes oder im Standard des Verhaltens gesprochen wird.

Die qualitativen Veränderungen sind kontinuierlich gerichtete Prozesse (ohne etwas über die Richtung oder Fortschrittlichkeit zu sagen).
Durch diese begrifflichen Einschränkungen, lassen sich Strukturveränderungen von der Seite der quantitativen Änderungen am anschaulichsten, aber auch am oberflächlichsten fassen.

Weiterer Aspekt (S. 39):
Der Gebrauch von Bildern aus dem Bereich der Natur oder der Technik ist unvermeidlich, solange unsere Sprache noch keinen eigenen, klaren und gesonderten Wortschatz für die geschichtlich-gesellschaftlichen Prozesse entwickelt hat.

Diese 'Hilfsausdrücke' drücken fürs erste das Zwingende der gesellschaftlichen Prozesse in der Geschichte aus (S.39).

Zentralisierung Höfische Gesellschaft Absolutismus zt-41

Im Mittelalter Kämpfe zwischen Adel, Kirche, Fürsten um Anteile an der Herrschaft und Ertrag des Landes. Im Laufe des 12. u. 13. Jahrhunderts eine weitere Gruppe im Kräftespiel: die privilegierten Stadtbewohner, das 'Bürgertum'. Macht sammelt sich in der Hand der Fürsten.

Die Autokratie der Vielen, der Herrschaftsanteil der Stände wird zurückgedrängt und die absolute Herrschaft des Einen an der Spitze setzt sich für längere oder kürzere Zeit durch (Frankreich, England, habsburgische Gebiete, deutsche und italienische Gebiete).

Das Zeitalter des Absolutismus. Was in dieser Veränderung der Herrschaftsform zum Ausdruck kommt ist eine Strukturveränderung der abendländischen Gesellschaft im ganzen. Eine allmähliche Umbildung der ganzen Gesellschaft.

Welche gesellschaftlichen Veränderungen erfuhren die mittelalterlichen Institutionen, welcher Aufbau der Gesellschaft, welche Entwicklung der menschlichen Beziehungen ermöglichten diese Veränderungen?

Die Fürstenhöfe werden zu den eigentlich Stil bildenden Zentren des Abendlandes. In allen katholischen Ländern, übertrifft die Bedeutung der Fürstenhöfe und der höfischen Gesellschaft als soziale Kontrollinstanz die aller anderen sozialen Formationen dieser Epoche (wie z.B. die der Universität) bei weitem.

Die maßgebende höfische Gesellschaft bildet sich in Frankreich. Von Paris breiten sich Umgangsformen und Manieren an alle anderen Höfe Europas hin aus. Nicht nur weil Frankreich das mächtigste Land dieser Zeit war, sondern weil in einer durchgehenden Transformation der europäischen Gesellschaft überall verwandte, soziale Formationen, der gleiche Gesellschaftstypus, analoge menschliche Beziehungsformen entstanden (S. 4).

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Literatur und Quellenhinweis:
Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation
Band 2
Erstmals veröffentlicht 1936
Francke Verlag: 1969 2. Auflage
Suhrkamp: 1976 1. Auflage
19. Auflage 1995
Exzerpt und Gestaltung: Transitenator
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Die vielen einzelnen Höfe des Abendlandes mit ihrer relativ einheitlichen Gesittung als kommunizierende Organe im Ganzen der europäischen Gesellschaft. Es ist eine das Abendland um greifende höfische Aristokratie mit ihrem Zentrum in Paris.

In der Mitte des 18. Jahrhunderts lockern sich langsam die Kontakte zwischen den höfisch-aristokratischen Gesellschaften verschiedener Nationen. Die französische Sprache weicht nationalen Sprachen. Vor der ständisch-sozialen Integrationsform gewinnt die nationale das Primat.

In der vornationalen höfisch-aristokratischen Gesellschaft werden jene Gebote und Verbote vorgeformt, die auch heute noch über alle nationalen Verschiedenheiten hinweg spürbar sind und allen Völkern des Abendlandes ein gemeinsames Gepräge einer spezifischen Zivilisation geben (S. 7).

Mit der allmählichen Bildung dieser absolutistisch-höfischen Gesellschaft vollzieht sich auch eine Umformung des Triebhaushalts und des Verhaltens der Oberschicht im Sinne der Zivilisation.

In der Tat nimmt die Soziogenese des Absolutismus im Gesamtprozess der Zivilisation eine Schlüsselstellung ein: Manfrau kann die Zivilisation des Verhaltens und den entsprechenden Umbau des menschlichen Bewusstseins- und Triebhaushalts NICHT verstehen, ohne den Prozess der Staatenbildung und darin jene fortschreitende Zentralisierung der Gesellschaft zu verfolgen, die zunächst in der absolutistischen Herrschaftsform einen besonders sichtbaren Ausdruck findet (S. 8).

Die wichtigsten Mechanismen, die der Zentralgewalt wachsende Chancen zuführen, sind: Die allmähliche Vergrößerung des geldwirtschaftlichen Sektors auf Kosten des naturalwirtschaftlichen.

Je mehr Geld auf einem Gebiet in Umlauf war, desto stärker stiegen die Preise. Alle Schichten, deren Verdienst nicht entsprechend stieg waren benachteiligt auch die Feudalherren mit fixen Renten.
Begünstigt war der Zentralherr der durch seinen Steuerapparat an wachsendem Reichtum Anteil hat und dessen Einkünfte sich mit dem wachsenden Geldumlauf vermehren.

Proportional zu den finanziellen Chancen, wuchsen die militärischen. Der Zentralherr konnte sich Krieger mieten und wurde dadurch auch von Kriegsdiensten relativ unabhängig (Wilhelm der Eroberer fährt mit Soldrittern nach England). Aber noch keine stehenden Heere (erst Jahrhunderte später). Diese militärische Überlegenheit, die mit der finanziellen Hand in Hand war die zweite entscheidende Voraussetzung dafür, dass die Zentralgewalt eines Herrschaftsgebietes den Charakter der Unumschränktheit (Absolutheit) gewann (S. 10).

Diese beiden Entwicklungslinien wirkten zuungunsten des alten, mittelalterlichen Kriegerstandes. Die Ritter und Krieger bekamen nur die Entwertung und das Steigen der Preise zu spüren.

Während der Geldumlauf wuchs, und die Handelstätigkeit sich entwickelte, während bürgerliche Schichten wuchsen und die Einnahmen der Zentralgewalt stiegen, sanken die Einnahmen des gesamten übrigen Adels.

Manche Ritter kümmerten dahin, manche raubten, manche verkauften ihre Güter, manche traten in die Dienste der Könige und Fürsten, von neuen Chancen gelockt. Das waren die wirtschaftlichen Chancen, die sich den dem Wachstum des Geldumlaufs und des Handelsnetzes nicht angeschlossenen Kriegern boten.

Auch die Entwicklung der Kriegstechnik wirkte sich zu den Ungunsten der Ritter aus. Die Infanterie, das verachtete Fußvolk wurde im Kampf wichtiger als die Reiterei. Damit war nicht nur die kriegerische Überlegenheit, sondern auch das Waffenmonopol des mittelalterlichen Kriegerstandes gebrochen.

Der Adel verlor mit der Vergrößerung des geldwirtschaftlichen Sektors in der Gesellschaft an Macht, während bürgerliche Schichten mit ihr an Macht gewannen.

Der Aufstieg, die Machtfülle und Unumschränktheit der Zentralinstitutionen war davon abhängig, dass diese Spannung zwischen Adel und Bürgertum bestand und bestehen blieb. Dieses labile Gleichgewicht musste von den Repräsentanten der absoluten Zentralgewalt zwischen den Ständen und Gruppen des Herrschaftsgebietes aufrecht erhalten werden (S. 13).

20070510

Langzeitarbeitslosigkeit Entfremdung Anomie sk-33

Reale Konflikte sind immer auch sichtbare Konflikte. Die Mehrheitsklasse führt ihre Umverteilungsgefechte weiter. Das bleierne Gewicht der erdrückenden Mehrheit.

Klassen sind nicht mehr die vorherrschende Basis des Konflikts.

In offenen Gesellschaften individualisiert sich der soziale Konflikt.

(Anmerkung: Die 'Individualisierung sozialer Ungleichheit' hat Ulrich Beck, 1986, im Buch 'Risikogesellschaft' näher ausgeführt. Ich arbeite derzeit an einem diesbezüglichen Exzerpt. Kommt in Kürze. Und kurz gesagt handelt es sich bei dieser Individualisierung um die "Herauslösung von Menschen aus lebensweltlichen Zusammenhängen und Verweisung auf sich selbst" (So O-Ton Beck).
Vulgär gesagt bekommt der einzelne das 'Pummerl' (die Schuld) für das Versagen oder für Fehlkonzeptionen des 'Systems'. Dieser oder diese Einzelne ist nicht mehr politisch organisiert sondern lediglich Bittsteller auf Arbeitsämtern etc. und wird als 'Sozialschmarotzer' (auch und vor allem von politisch Tätigen) gebrandmarkt, diffamiert und stigmatisiert).
Originalton auf einem österreichischen Arbeitsamt: Der Leiter zu einer krankheitsbedingt Langzeitarbeitslosen: "Frau *****, wir werden auch für sie eine ENDLÖSUNG finden". !!! (Ist belegt, Namen könnten genannt werden).

Solidarisches Handeln in organisierten Gruppen ist vielleicht nur die zweitbeste Methode um die eigenen Interessen durchzusetzen. Es ist kräftezehrend, hat hohe emotionale Kosten, und es dauert lange bevor manfrau etwas erreicht.

Wo immer möglich, versuchen Menschen daher, aus eigener Kraft voranzukommen. In den USA ist das die vorherrschende Art, Konflikte auszutragen. Heute gilt dasselbe in den meisten entwickelten Ländern. Individuelle Mobilität tritt an die Stelle des Klassenkampfes.

Menschen die in organisierten Gruppen handeln, sind heute eher Sonderinteressengruppen oder soziale Bewegungen als Klassenparteien. Segmentierung lässt sich durch sozialen Wandel erklären (S. 236).

-o-o-o-
Hinweis auf Quelle bzw. verwendete Literatur: Der moderne soziale Konflikt von Ralf Dahrendorf, Stuttgart 1992 (1), München 1994, dtv Taschenbuch, Exzerpt: transitenator
-o-o-o-
In dem Augenblick, in dem Bürgerrechte nahezu allgemein werden, nehmen 'Disparitäten der Lebensbereiche' (?von wem?) den Platz verallgemeinerter Forderungen nach bürgerlichen, politischen oder sozialen Rechten ein.
Soziale Bewegungen bilden sich durchaus innerhalb der Grenzen der Bürgergesellschaft. Bürgerlicher Ungehorsam hat nur Sinn, wenn ein stabiler Rahmen der Bürgerrechte (und Pflicht zum Gesetzesgehorsam) vorausgesetzt werden kann.

Warum schließen die Langzeitarbeitslosen und die Dauerarmen sich nicht zusammen zum Marsch auf die jeweiligen Hauptstädte, um dort ihren vollen Anteil am Bürgerstatus einzufordern?

Warum gibt es nicht so etwas wie eine Arbeitslosenpartei und eine Armenpartei?

Warum macht die Unterklasse keinen Krawall?

Marx und Engels sprachen vom 'Lumpenproletariat', dem 'sozialen Abschaum', die 'passive Verfaulung der alten Gesellschaft'.

Theodor Geiger: Die unterste Schicht ist 'wirtschaftlich-sozial ohne Standort'. Ihre Mentalität führt sie nicht zur organisierten Interessenvertretung, sondern zur hemmungslosen Rebellion.
Ihre Soziallage macht sie zu einer Reservearmee für reaktionäre Umtriebe. Sie sind im Erwerbsleben nicht heimisch, zu stetiger Lebensführung nicht fähig und verdingen sich zu Abenteuer und Fehde.

Doch erklärt das alles nicht den sozialen Konflikt am Ende des 20. Jahrhunderts.
Tatsächlich ist die Unterklasse weder in Nordamerika noch in Europa besonders gewalttätig; sie steht der offiziellen Gesellschaft nicht einmal sonderlich feindselig gegenüber.

Wenn die Langzeitarbeitslosen und die Dauerarmen überhaupt zur Wahl gehen, verteilen sich ihre Stimmen nicht viel anders als die der übrigen Wähler. (Das galt auch in den 30er Jahren für die Geiger schrieb).

Es waren eben nicht die Arbeitslosen, die Hitler zur Macht verholfen haben, wenn gleich ihr Schicksal etwas zu tun hatte mit der Hysterie des Mittelstandes.

Ein Autor: "die Unterklasse sei entfremdet und populistisch, aber nicht radikal". Sie ist in sich gespalten, jeder sucht seinen persönlichen Ausweg, und große Themen der öffentlichen Diskussion lassen sie gleichgültig.

Die Unterklasse neigt zur Lethargie.

Die Schlüsseltatsache für die Unterklasse und die Dauerarbeitslosen ist, dass sie sozusagen keinen Einsatz im Spiel der Gesellschaft haben. Das Spiel findet ohne sie statt.

In einem durchaus ernsten Sinn gilt die moralisch unerträgliche Feststellung, dass die Gesellschaft sie nicht braucht.
In der Mehrheitsklasse wünschen viele, die Unterklasse möge einfach von der Bildfläche verschwinden; täte sie das, dann fiele ihr Fehlen kaum jemandem auf. Die Betroffenen wissen das wohl. Für sie ist die Gesellschaft vor allem weit weg.

Es scheint sich das Gefühl, keinen Einsatz in der Gesellschaft zu haben, über die Grenzen jener Gruppen hinaus ausgebreitet zu haben, die durch Arbeitslosigkeit und Armut geprägt sind.

Junge Menschen vor allem haben eine Neigung, ihre Wertvorstellungen vom sozialen Rand her abzuleiten, auch wenn sie Arbeit haben und einen Platz im komfortablen Haus der Mehrheit finden könnten.
So stellt sich eine eigentümliche Konvergenz der Kultur der Unterklasse mit der Gegenkultur der Mittelklasse ein; es gehört sich sozusagen, nicht dazu zugehören.
Es ist zur verbreiteten Gewohnheit geworden, sich um die Normen und die Werte der offiziellen Gesellschaft nicht zu kümmern (S. 239).

Diese Gewohnheit ist vielleicht das wichtigste einzelne Merkmal der OECD-Gesellschaften in den letzten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Sie hat überdies einen Namen.

Anomie

Konflikte erscheinen nicht als Schlachtordnung in einem revolutionären Krieg oder selbst als demokratischer Klassenkampf, sondern als Anomie.
Ein wichtiger Begriff. Anomie oder Gesetzlosigkeit.

Der Begriff wird Emile Durkheim zugeschrieben, der von Anomie sprach, um die Aufhebung der Wirksamkeit sozialer Normen durch wirtschaftliche und politische Krisen zu beschreiben.
Ihr Ergebnis ist, dass Menschen aller Bindungen verlustig gehen, bis sie im Selbstmord den einzigen Ausweg sehen.

Robert Merton hat unserem Verständnis von Anomie seine eigene Wendung hinzugefügt, indem er sie als jenen 'Kollaps der kulturellen Struktur' beschrieb, der eintritt, wenn Menschen auf Grund ihrer sozialen Stellung nicht in der Lage sind, den Werten der Gesellschaft zu folgen (S. 240).
Der Begriff hilft bei der Beschreibung eines eigentümlichen Merkmals moderner Gesellschaften. Wichtiger als die bloße Zahl der Gesetzesbrüche, ist die Unfähigkeit von Gemeinwesen, mit diesen fertig zu werden.

In der normativen Welt des 20. Jahrhunderts sind gewisse rechts freie Räume entstanden (no-go-areas). Was in ihnen geschieht unterliegt nicht den normalen Sanktionen der Rechtsgemeinschaft. Also 'rechts freie Räume' in dem Sinn, dass die vorherrschenden Normen in ihnen außer Kraft gesetzt scheinen. Diese Räume stellen noch weitere Fragen.

Der 'Freispruch des Schuldigen' ist in den Gesellschaften der Gegenwart zu einem vertrauten Phänomen geworden, selbst bei Mord und Totschlag. Jahrzehntelang herrschte die Neigung, die 'Gesellschaft' verantwortlich zu machen. Der rechts freie Raum der Jugend ist wahrscheinlich der folgen reichste von allen, denn er nimmt diejenigen, die diese noch lernen sollen, von DEN Normen aus, DIE die Gesellschaft zusammenhalten (S. 242).

Anomie beschreibt unter diesem Gesichtspunkt einen Zustand, in dem Normbrüche nicht bestraft werden. Darüber hinaus beschreibt Anomie einen alle Bereiche des sozialen Lebens durchdringenden Zustand.
Dazu gehört der Missbrauch von Kindern, Vergewaltigung in der Ehe, Steuerhinterziehung und andere Formen der Wirtschaftskriminalität.
Menschen haben keinen Einsatz in der Gesellschaft und fühlen sich daher an ihre Regeln nicht gebunden. Das ist die eine Seite des Bildes. Die andere ist, dass das Vertrauen der Gesellschaft in ihre eigenen Regeln abgenommen hat; die Einhaltung von Regeln wird schlicht nicht mehr erzwungen.


Es bleibt zu prüfen, ob die jüngste Form des sozialen Konflikts nicht zum Thema hat, dass der Gesellschaftsvertrag selbst in Frage steht. Dahrendorf meint die ersten und grundlegenden Artikel des Gesellschaftsvertrages, in denen es um Recht und Ordnung geht.

Hier begegnen wir dem Thema das es erlaubt die Argumentation über den modernen sozialen Konflikt zu bündeln.

Eine Gesellschaft, die allem Anschein nach bereit ist, die fortdauernde Existenz einer Gruppe zu akzeptieren, die keinen wirklichen Einsatz in ihr hat, stellt sich selbst in Frage. Hat die Gesellschaft das Vertrauen in ihre eigenen Regeln verloren?

Es ist die Rede davon, dass die Mehrheitsklasse ihr Selbstvertrauen verliert. Sie ist sich ihrer Stellung nicht mehr sicher. Daher zieht sie Grenzen, wo es keine geben sollte, und sie zögert, wenn die Erzwingung ihrer Regeln auf dem Spiel steht.
Die Zeichen des Selbstzweifels sind unverkennbar. Die Risiken der Anomie liegen auf der Hand. Unordnung, Zweifel und Ungewissheit über alles zu bringen, ist schlimm genug.

Doch liegt das größere Risiko in etwas anderem. Anomie kann nicht dauern. Sie ist eine Einladung an Usurpatoren, der Mehrheit ein falsches Ordnungsschema aufzudrängen. Eben das, was Liberale so stört an den Verfechtern von 'Recht und Ordnung', provozieren sie selbst durch das Fehlen eines entschiedenen Sinns für Institutionen.

Das Risiko der Anomie heißt Tyrannei in vielerlei Gestalt (S. 244).

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