20070227

MÄRXCHEN IM WUNDERLAND

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Dialektik und Materialismus
Was Märxchen nicht lernt, lernt Marx nimmermehr.
Ein Frage und Antwortspiel.

Bearbeitete Literatur: Kiss Gabor: Einführung in die soziologischen Theorien I
Erschienen bei Opladen, Düsseldorf 1972. 3. Auflage 1977.
Teil III. Dialektisch orientierte Gesellschaftstheorien
2. Abschnitt: Marx
1. Der Materialismus in der Dialektik: die Priorität der objektiven Realität S. 125 - 141
2. Das ökonomische Bewegungsgesetz in der Geschichte S. 142 - 162
3. Marxens Klassentheorie: Klassengesellschaft S. 163 - 171
Zusammenfassung S. 172 - 185

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Abstract:
Die Abhandlung von Kiss ist eine historisch orientierte vergleichende Analyse gesellschaftstheoretischer Hauptrichtungen. Sie ist aus dem Wunsch entstanden bedeutende theoretische und methodologische Positionen zu vergleichen und gegenwartsbezogene Akzente in der Geschichte soziologischen Denkens zu setzen (9).
Kiss möchte in seiner Darstellung eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart bauen, indem er versucht, die Kernprobleme aus der Sicht der verschiedenen Positionen her zu beleuchten (10).
Die dialektisch orientierte Gesellschaftstheorie unterscheidet sich von anderen Gesellschaftstheorien durch den revolutionären Charakter ihrer Denkmethode (172).


Frage:
Was sind Merkmale dialektischer Soziologie?
Antwort:
(1) Das revolutionäre Prinzip der Wissenschaft, (2) Das Postulat von der Einheit des Seins, (3) Die wechselseitige Bedingtheit von Sein und Bewußtsein, (4) Das Ziel der Emanzipation und Freiheit des Menschen.
ad 1) Dieses Prinzip bzw. dieser Denkansatz der Totalität besagt, daß sich das Ganze nur vermittels der von seinen Teilen erfüllten Funktionen erhält. Der Teil hängt von der Totalität seiner Beziehungen ab. Die soziale Einheit erhält sich durch die Erfüllung ihrer Teilfunktionen ihrer Mitglieder. Diese hängen von der Summe der gesamtgesellschaftlichen Beziehungen (Totalität) ab. Die Gesellschaft wird also bestimmt von einem System von wechselseitigen Abhängigkeiten und deren Strukturierungen. Soziale Teilerscheinungen werden von den strukturbestimmenden Wesenszügen des gesamten Teilsystems erklärt (175).
ad 2) Die Welt der Erscheinungen ist wandelbar aber immer Ausdruck eines tiefer sitzenden Wesens. Das Wesen beinhaltet den Grundwiderspruch von Identität und Unterschied und hat somit nicht nur eine Beziehung zum Sein sondern vor allem zum Werden. Wesen und Erscheinung bilden eine untrennbare Einheit wie z.B. die Einheit des Individuellen und Allgemeinen. Diese Einheit ist ein Prozeß, in dem sich alles an seinen inneren Widersprüchen abarbeitet und sich dann als Resultat entfaltet. Das menschliche Wesen entwickelt sich vermittels der Allgemeinheit (178).
ad 3) Sein und Bewußtsein sind wechselseitig bedingt. "Die dingliche Welt ist der gesetzmäßig notwendige Gegenspieler des Bewußtseins" (181). Die materielle Seite des Seins ist "der dialektische Gegensatz zum Bewußtsein" und damit "die treibende Kraft zur ständigen Synthese-Bildung" (181).
ad 4) Ziel der Geschichte und des notwendigen Fortschrittes ist die Emanzipation und Freiheit des Menschen (183).

Frage:
Was sind Unterschiede zwischen Hegel und Marx?
Antwort:
Hegel vertritt eine idealistische Position, Marx eine materialistische. Dies zeigt sich beim inhaltlichen Verständnis dessen was Wesen ist. Bei Hegel besteht das Wesen aus absolutem Geist, bei Marx ist das Wesen materiell (179). Entwicklung ist bei Hegel Entfaltung des Geistes, bei Marx Entfaltung der Materialität. "... bei Hegel beginnt und entfaltet sich der Geist bzw. das Bewußtsein 'zum Absoluten', während sich bei Marx die Materialität des Seins zur höchsten Stufe ihrer in ihr verborgenen Kräfte, zum Bewußtsein, zur 'Humanisierung der Natur' entfaltet" (182). "Die Freiheit des Menschen besteht nur darin, daß er durch die Erkenntnis der gesellschaftsbewegenden Gesetze das Zeitintervall des Prozesses der Auflösung von Widersprüchen - entweder mit Hilfe des Bewußtseins (Hegel) oder mit der der Aktion (Marx) - verkürzt ... (181). Ziel für beide ist die Emanzipation und Freiheit des Menschen ("Prozeß der Vermenschlichung des Menschen", doch unterscheiden sich Marx und Hegel in der Wahl der Mittel (142). Bei Hegel ist das Eigentum "die objektivierte Form der Freiheit" und damit Mittel zur Freiheit während Marx die Institution des Eigentums absolut verneint (183). Marx sieht in den Eigentumsverhältnissen vielmehr das größte Hindernis der Freiheit (184) und sieht im Eigentum nicht nur ein Aneignungsrecht von Sachen, sondern auch ein Aneignungsrecht von Personen (129). Bei Marx treiben ökonomische Antagonismen von sich aus den ständigen Prozeß des Fortschritts voran. Bei Hegel bedeutet Bewußtseinsentwicklung (Bewußtmachung und Aneignung von Sachkenntnissen) den Fortschritt zum 'Höheren' (140).


Frage:
Was sind Prämissen des dialektischen Materialismus welche für die soziologische Betrachtung von besonderer Wichtigkeit sind?
Antwort:
(1) Materialismus, (2) Dialektische Bewegung, (3) Von Materie produziertes Bewußtsein, (4) Evolutionär-revolutionäres Entwicklungsprinzip.
ad 1) "Materialismus bedeutet im Gegensatz zum Idealismus und vor allem zur Metaphysik die Leugnung eines, von der Materie unabhängig und unveränderlich existierenden Geistes". "Gedanken und Ideen sind nur Spiegelbilder der objektiven materiellen Wirklichkeit" (126).
ad 2) Der dialektische Dreitakt vollzieht sich hauptsächlich in der materiellen Welt. "Die dialektischen Entwicklungsgesetze des Bewußtseins werden also von Marx als die Widerspiegelung sozioökonomischer Kräfteverhältnisse betrachtet; es ist die technische Grundlage d. h. der Stand der Produktivkräfte, der das Bewußtsein und die Sozialverhältnisse bedingt" (126). Zur Synthese gelangt man durch sozialen Kampf und nicht durch bewußtseinsmäßige Auseinandersetzungen.
ad 3) Das Bewußtsein -welches ein Spiegelbild seiner materielle Umwelt ist- kommt im Prozeß der dialektischen Entwicklung durch Kombination der Reflexionen über die Umweltprozesse zu neuen noch nicht vorhandenen Ideen. So kann der Mensch aktiv in die Gestaltung der materiellen und sozialen Prozesse eingreifen.
ad 4) Sich anstauende Widersprüche erreichen einen Punkt, an dem sie auf revolutionärem Wege die Struktur (also die Qualität) der Gesellschaft ändern. Vorwärts- bzw. Höherentwicklung geschieht auf Grund von (R)evolution (134).


Frage:
Was sind die methodologischen Prinzipien soziologischer Forschung im Marxismus?
Antwort:
(1) Objektive Realität, (2) Totalität, (3) Entwicklungsgesetzlichkeit.
ad 1) Zur Erklärung sozialer Tatbestände muß man "die objektive, vom menschlichen Bewußtsein unabhängige Realität, nach ihrer faktischen Beschaffenheit sachgerecht erforschen". Den wissenschaftlichen Aussagen über Gesellschaft soll nach Marx eine fundierte Analyse der Fakten (unter dem Gesichtspunkt ihrer ökonomischen Bedingungen) auf empirischer Ebene vorausgehen (135). Moral, Religion oder Politik sind eher Derivate des wirtschaftlichen Geschehens. Im Blickwinkel ist eher der Alltag des einfachen Produzenten (Industriearbeiters) und dessen ökonomische Lage (136). Der erste wissenschaftliche Fragebogenentwurf stammt von Marx (137).
ad 2) Die Lage des einzelnen (Arbeiters) ist durch die Totalität (Gesamtzusammenhang) der gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmmt. Erscheinungen sollen im Gesamtzusammenhang gesehen werden und der Forscher soll sich bemühen das Wesen dieser Erscheinungen zu enthüllen (138). Es besteht das Erkenntnisziel einer 'absoluten Wahrheit'. Die Welt ist erkennbar. Es gibt also nicht nur eine subjektiv erfaßbare Realität, sondern auch eine objektive Wahrheit. Die erkannten Kräfte dieser Wahrheit sollen zugunsten der Allgemeinheit angewendet werden (139).
ad 3) Der Entwicklungsaspekt setzt nun konkrete Bezugspunkte zum historischen Prozeß. "'Absolute' Begriffe, wie z. B. Familie, Eigentum, Arbeit, Mensch usw., müssen in ihrer jeweiligen historischen Bedingtheit erforscht werden. Ihr Inhalt ändert sich nämlich in den einzelnen historischen Phasen ..." (139).
Die Entwicklung ergibt sich aus dem grundlegenden Spannungsverhältnis zwischen dem Stand der Produktivkräfte und dem der Produktionsverhältnisse. Sachliche Träger der Produktivkräfte sind die Umwelt (Bodenschätze etc.), menschliche Träger sind z. B. Bevölkerungsdichte, Gesundheitszustand etc. (140). Produktionsverhältnisse sind Verhältnisse die Menschen -entsprechend dem jeweiligen historischen Entwicklungsstand ihrer Produktivkräfte- bei der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Prokuktion ihrer Existenzmittel eingehen. Die Produktionsverhältnisse werden analysiert nach Art der Kooperation, der Arbeitsteilung, der Verteilung der Produktionsmittel und der Verteilung von Konsumgütern (141). Die ökonomische Basis bestimmt den Charakter des 'Überbaus'. Unter diesem wird das Gesamtgebäude an juristischen, politischen und kulturellen Einrichtungen verstanden die einen ideologischen Einfluß nehmen, nämlich im Sinne der herrschenden Klasse. Das individuelle Bewußtsein ist aus der jeweiligen sozialen Lage zu erklären (141).


Frage:
Was ist nach Kiss das Kernstück des Marxismus?
Antwort:
Eigentum ist nicht nur eine ökonomische Kategorie, sondern Eigentum bedeutet eine grundlegend soziale Beziehung durch die Chance zur privaten Aneignung fremder Arbeitskraft. Diese Möglichkeit der privat-subjektiven Verfügung über andere ist die Macht der 'Selbstständigen' (d. h. Eigentümer) über die 'Unselbstständigen'. Das ist das Wesen des sozialen Konflikts mit antagonistischem Charakter unter bürgerlich-kapitalistischen Sozialverhältnissen. "Ein qualitativer Sprung in eine neue, bessere Gesellschaftsordnung kann daher nur auf diesem 'materialistischen' Wege der (konkreten) Enteignung der Produktionsmittel durch die Allgemeinheit geschehen" (128). "Der Angriff des Marxismus auf das Eigentum ist nicht auf die Negation der Aneignung von Sachen, sondern auf die der Aneignung von Menschen bzw. deren Arbeitskraft gerichtet" (129). Eigentum ist unter kapitalistischen Bedingungen das einzige Mittel der Freiheit andererseits produziert das Eigentum Unselbstständige. Das ist ein Grundwiderspruch der bürgerlichen Gesellschaft. "Das wesentliche Merkmal dieses Grundwiderspruchs besteht in dem sozialen Verhältnis zwischen gesellschaftlich geleisteter Arbeit und dem auf privater Basis beruhenden Aneignungs- und Bestimmungsrecht der ökonomisch und d. h. auch politisch führenden Schichten" (130). Die Aufhebung dieses Widerspruchs (Abschaffung des Privateigentums) soll zum sozialistischen Eigentum führen. "Der Sinn des Eigentums als Mittel der sozialen Emanzipation hat sich im Laufe seiner Entwicklung in seine Negation, in ein Mittel der Unfreiheit verwandelt ... dieser Antagonismus ... sollte durch die Gleichheit der Eigentumslosigkeit aller beseitigt werden. Durch die Überführung der Produktionsmittel in die Verfügungsgewalt der Allgemeinheit (Staat) sollte die Möglichkeit der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen verhindert werden" (131). Diese Gleichheit der Eigentumslosigkeit soll durch den Staat gesichert werden und nicht wie unter kapitalistischen Verhältnissen wo der Staat als 'Werkzeug der Bourgeoisie' fungiert und die Eigentumsverhältnisse schützt.

Frage:
Was bedeutet Entfremdung bei Marx und welche historische Phase kennzeichnet sie?
Antwort:
Bei Marx vollzieht sich die 'Entfremdung des wirklichen Lebens' als ökonomische Entfremdung in den Arbeitsvollzügen und Produktionsverhältnissen des kapitalistischen Wirtschaftsprozesses.durch die Scheidung des Produzenten von den Produktionsmitteln. Entfremdung ist bei Marx eine Auswirkung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung (Hartfiel 1972, S 171). Konkret bedeutet dies:
(1) Die Lahmlegung und Einschränkung der konkreten Handlungsfreiheit, (2) Die Entäußerung der Lebens- bzw. Arbeitskraft für einen fremden Zweck, (3) Die Entfremdung von der produktiven Tätigkeit selber, (4) Die Entfremdung von der menschlichen Gattung, (5) Die Entfremdung des Menschen vom Menschen (131).
ad 1) Da der Mensch nur frei ist, wenn er nicht gezwungen ist einem anderen Menschen zu dienen, ist derjenige unfrei der gezwungen ist seine Arbeitskraft zu verkaufen. Sein Schicksal wird von anonymen übermächtigen Mächten bestimmt. Die Ursachen seiner Unfreiheit bestehen im Mangel an materiellem Besitz (131).
ad 2).So muß sich der Mensch (Arbeiter=Produzent) in der kapitalistischen Gesellschaft für einen fremden Zweck entäußern (verkaufen?). "Der Lohnarbeiter -obwohl er nicht weiß, was und für wen er arbeitet- entäußert seine Lebenskräfte in einer stupiden Detailarbeit, ohne sich persönlich eine menschliche Existenz dafür schaffen zu können" (132). Mit dieser 'stupiden Detailarbeit' wird die Arbeitsteilung und Spezialisierung angesprochen.
ad 3) Das Produkt welches der Mensch herstellt gehört einem anderen. Wenn er es will muß er es kaufen. "Der Gegenstand, den die Arbeit produziert, tritt ihr als ein fremdes Wesen, als eine von den Produzierenden unabhängige Macht gegenüber. Die Verwirklichung der Arbeit als ihre Vergegenständlichung ist gleichbedeutend mit einer Entwirklichung des Arbeiters" (Hartfiel 1972, 171).
ad 4) Ursprüngliche Bestimmung des Menschen ist die 'schöpferische Tätigkeit'. Diese Kraft wird durch die Herrschaftsstruktur abgetötet. Der Arbeiter gibt sich 'tierischen Vergnügungen' hin, weil er keinen anderen Sinn im Leben sehen kann. "Das kapitalistische System hemmt also selbst durch unausgeschöpften mangelhaften Einsatz seines Produktivkräftepotentials (zu denen das Interesse und die Erfahrung des Menschen gehören) auch seine eigenen Entfaltungsmöglichkeiten" (133).
ad 5) "Diese Entfremdung vom menschlichen Wesen führt zum existentiellen Egoismus, den Marx als die Verwandlung des Menschen zum 'Mittel seiner individuellen Existenz' beschreibt" (Hartfiel 1972, 171). Das bedeutet konkret die Isolierung des Einzelnen. "Das System der zwischenmenschlichen Beziehungen basiert auf der Privatheit (Privat, lateinisch: privation = Beraubung)". Der Mensch unter diesen Bedingungen entwickelt ein 'Paria-Bewußtsein' welches durch Aufklärung (Bewußtmachung) und Aktion aufgehoben werden kann (133).


Frage:
Was ist nach Marx die Triebfeder der historischen Entwicklung?
Antwort:
Bisher galten Ideen der Moral, Religion oder Politik als gesellschaftskonstituierende Momente. Marx aber sieht die Triebfeder der historischen Entwicklung in der Produktionssphäre. Moral, Religion oder Politik sind eher 'Derivate des wirtschaftlichen Geschehens'. Somit wird nun aber auch die Betrachtung des Alltags der ArbeiterInnen aufgewertet und damit der Soziologie der Impuls gegeben was für die Forschung als wesentlich zu betrachten ist (136).
Marx stellt das ökonomische Bewegungsgesetz der Geschichte folgendermaßen dar: "In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt" (143). An gewissen Punkten kommt es zum Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen (Eigentumsverhältnissen) und es kommt zu Revolution. Der materiellen Veränderung folgt eine ideele Reflexion (in ideologischen Formen) des Überbaus worin sich die Menschen des Konflikts bewußt werden. Das Bewußtsein muß also "aus den Widersprüchen des materiellen Lebens, aus dem vorhandenen Konflikt zwischen gesellschaftlichen Produktivkräften und Produktions-verhältnissen" erklärt werden (143).
"Daher stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer betrachtet wird sich stets finden, daß die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung schon vorhanden oder wenigstens im Prozeß ihres Werdens begriffen sind" (143).


Frage:
Was versteht Marx unter der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und wie begründet er die Entstehung dieser Ausbeutung?
Antwort:
Ausbeutung ist ein soziales Verhältnis, in dem die Ausbeuter, d. h. die Eigentümer der Produktionsmittel, in Ausnutzung ihrer Herrschaftsposition sich unentgeltlich das Produkt fremder Arbeit aneignen (Hartfiel 1972, 47).
Ausgangslage ist Natur und Mensch. Der Mensch tritt als gesellschaftliches Wesen durch Arbeit in einen 'Stoffwechsel mit der Natur' ein. Der Stoffwechsel setzt sich in der Gesellschaft in der Form von Tausch fort. Die Ware ist realisierte Arbeitskraft für die durch Tauschhandel nach einem Äquivalent gesucht wird. Die Tauschenden bestimmen die Regeln des Austausches. Diese Tauschbeziehungen verändern sich infolge der Arbeitsteilung und werden zu fixierten Verhältnissen (Eigentum) umgewandelt (143/144). Unter 'Eigentum' versteht Marx den rechtlich garantierten Besitz an Produktionsmitteln, der die Möglichkeit zur Ausbeutung des Menschen durch den Menschen bietet. Durch diese rechtlich garantierte Verfügungsgewalt besteht die Möglichkeit andere von der Nutznießung der hergestellten Produkte auszuschließen. Eigentumslose müssen ihre Arbeitskraft verkaufen. Das Recht auf Nutzung der Arbeitskraft ist die Quelle des Mehrprodukts. Das Mehrprodukt entsteht dadurch, daß der Arbeiter über das Maß seiner Bedürfnisse arbeitet und so durch diese Mehrarbeit ein Mehrwert entsteht der dem Eigentümer zugute kommt. Dieses Mehrprodukt bildet dann das Eigentum des Besitzers an Produktionsmitteln. Je nach Gesellschaftstypus "wird der arbeitende Mensch gezwungen nicht für die Gemeinschaft, sondern für den Eigentümer jenen Teil des von ihm produzierten Mehrproduktes abzugeben, den er nicht unmittelbar zur 'Reproduktion seiner Arbeitskraft' braucht" (144).


Frage:
Welche Gesellschaftsformationen unterscheidet Marx und was ist das grundlegende Unterscheidungskriterium?
Antwort:
Hauptunterscheidungskriterium für 'Gesellschaftsformationen' ist die Form der Aneignung des Mehrwertes also das Kriterium der Verfügung über das Mehrprodukt. Marx kommt so zu einer soziologischen Strukturanalyse der Gesellschaftstypen.
Marx unterscheidet: (1) Urwüchsige Gesellschaften, (2) Sklavenhaltergesellschaften, (3) Feudalismus, (4) Kapitalismus, (5) Sozialismus, (6) Kommunismus.
Zu den Gesellschaftsformationen jeweils einige Stichworte:
ad 1) Gemeineigentum an Produktionsbedingungen, Produktion für persönlichen Gebrauch, Tausch innerhalb der Gemeinschaft, Autorität des Ältesten, eigentumslose Gleichheit, keine politische Gewalt (146).
ad 2) Zunehmende Arbeitsteilung, zunehmende soziale Ungleichheit, Herausbildung von Eigentumsformen, Ausdehnung des Tauschverkehrs, Sklaven als Arbeitskräfte, neuartige Gruppenbildungen, Kleingruppenkoordination, Privateigentum an Boden und Personen, Oberschicht, Königshäuser (146).
ad 3) Lehnswesen, selbstwirschaftende Bauern, intensivere Bodenbearbeitung, weitere Arbeitsspezialisierung, Märkte, Erschließung neuer Verkehrswege, intensivere Ausnutzung der Arbeitskräfte für individuelle Zwecke somit Intensivierung der Aneignung von Mehrarbeit, Verbreitung der Geldwirtschaft (146).
ad 4) Arbeitszerlegung, Weltmarkt, Herrschaft der ökonomisch stärksten Klasse, Staat = Werkzeug dieser Klasse, Ideologie des Liberalismus, schonungslose nackte Ausbeutung, Verelendung, Entfremdung, Entstehung von Industrieproletariat, Hauptcharakteristikum: Scheidungsprozeß von Produzent und Produktionsmittel, Akkumulation von Mehrwert, Rechenhaftigkeit des Denkens (148).
ad 5) Übergangsphase, Konzentration der Produktionsmittel (in Städten), Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln, Automatisierung, staatliches kollektiv verwaltetes Eigentum, kollektive Entscheidung über Einsatz der Produktivkräfte, Gewinn für Kollektiv, Planwirtschaft (156).
ad 6) Verwirklichung eines hohen Grades an Gleichheit und Freiheit, Abbau der öffentlichen Gewalt (Absterben des Staates), Aufhebung der Klassengegensätze, Ersetzung des Leistungsprinzipes durch das Bedürfnisprinzip, Synthese zwischen Natur (= 'Reich der Notwendigkeit') und Gesellschaft (= 'Reich der Freiheit'), 'Auferstehung' der menschlichen Gattung (158).


Frage:
Was versteht Marx unter dem allgemeinen Gesetz der kapitalistischen Akkumulation?
Antwort:
"Im Verhältnis zum Konzentrationsgrad des Kapitals nimmt die Verelendung, d. h. das Herabsinken immer größerer Bevölkerungsschichten auf das Existenzminimum zu". Dieses Gesetz "bedeutet, daß durch die zunehmende Kapitalisierung der Wirtschaft die Zahl der kleineren und mittleren Eigentümer verschwindet, und daß diese Akkumulation letztlich die allgemeine Eigentumslosigkeit produziert". Die Eigentumslosen und Unselbstständigen verlieren faktisch ihre Freiheit und stellen eine 'industrielle Reservearmee' welche alle Bedingungen annehmen muß die ihnen von den Kapitalisten aufgezwungen werden (155).
Kapitalisten sind in ihrem eigenen Überlebensinteresse gezwungen sich nach den Regeln des Systems zu halten, also an Kapitalakkumulation und Profitmaximierung (156).
"Die Akkumulation des Kapitals reproduziert das Kapitalverhältnis auf erweiterter Stufenleiter, mehr Kapitalisten oder größere Kapitalisten auf diesem Pol, mehr Lohnarbeiter auf jenem ... (die) Akkumulation des Kapitals ist also Vermehrung des Proletariats" (155).


Frage:
Wie sieht Max Weber die Kapitalakkumulation in der kapitalistischen Entwicklung und wie unterscheidet sich seine Sichtweise von der von Marx?
Antwort:
Auch Weber sieht die Kapitalakkumulation als typisches Merkmal der kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Angehäufter Reichtum wird nicht der Konsumtion sondern der Erzeugung von Mehrwert zugeführt. "Die Kapitalrechnung ... kennt keine Orientierung am 'Grenznutzen' sondern an der Rentabilität ... (sie) setzt daher den Kampf des Menschen mit dem Menschen voraus" (150). Weber sieht allerdings im Gegensatz zu Marx eher positive Momente im 'rationalen Wirtschaften'. Seine Kategorie des 'rationalen Wirtschaftens' hebt vor allem den Aspekt der individuellen Planung als typisches Element zweckrationalen Handelns hervor. Kiss wendet aber ein daß es bei der Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen darauf ankommt, welche Gruppen in der Lage sind ihre Interessen geltend zu machen (150/151). Weber sagt ja auch in seiner Definition des rationalen Tauschs, daß dieser nur möglich ist, wenn entweder beide Teile Vorteile finden oder wenn für einen Teil eine durch ökonomische Macht oder Not bedingte Zwangslage vorliege (151). Der Interessenausgleich, der bei Weber als rationales Wirtschaften bezeichnet wird ist horizontal gedacht, während Marx eine vertikale Abhängigkeitsstruktur im kapitalistischen System sieht (153/154).

Frage:
Was bedeutet qualitative Arbeitsteilung?
Antwort:
Nicht nur die Scheidung des Produzenten von den Produktionsmitteln auch die Scheidung der 'geistigen Potenzen des Produktionsprozesses' von der Handarbeit führt zu einer Aufspaltung der Gesellschaft. Letztere führt zu einer Aufteilung in Hand- und Kopfarbeiter Dieser Prozeß ist ein auf Profitinteresse angelegtes Prinzip der Wahrung von Unter- und Überordnungsverhältnissen zur Verwertung des Wissens und der Wissenschaft für die Interessen des Kapitals (156).


Frage:
Was sind die vier Kriterien des Klassenbegriffs bei Marx?
Antwort:
(1) Das Verhältnis einer ges. Gruppe zu den Produktionsmitteln. (2) Der Konzentrationsgrad (Konzentration des Kapitals als auch Konzentration der arbeitenden Massen). (3) Die Organisation der Masse (Organisierung der Klasseninteressen). (4) Intensivierung der Interessendurchsetzung (Bildung von Kampforganisationen), Klassenkampf (165).


Frage:
Zu welchen Entwicklungen kann es nach der Klassentheorie von Marx kommen?
Antwort:
Die Klassentheorie bezieht sich nicht nur auf die Analyse der ökonomischen Verhältnisse im Kapitalismus, sondern auch auf die Art der Herrschaftsausübung, auf Unter- und Überordnungsprozesse und auf die Formen und Mittel der Herrschaft selbst. Macht und Herrschaft sind unter kapitalistischen Bedingungen auf das Eigentum an Produktionsmitteln, also auf den Kapitalbesitz rückführbar (164). Die Klassenzugehörigkeit wird durch die Stellung der Menschen zum Eigentum an den Produktionsmitteln bestimmt. Die jeweilige Klassenlage prägt die Interessen, Lebenserwartungen und Weltanschauungen der Menschen und bildet deren jeweiliges Klassenbewußtsein. Die Besitzlosen haben eine gemeinsame Klassenlage aber erst durch den Prozeß der Interessenorganisation wird es ihnen möglich ein gemeinsames Klassenbewußtsein zu entfalten. Dieses Klassenbewußtsein ist ein Bewußtsein der Interessensolidarität und durch dieses wird die 'Klasse an sich' zu einer 'Klasse für sich' (Kampforganisation). Die sozialistische Revolution ist dann die Endphase eines Entwicklungsprozesses der vor allem "durch die volle Entfaltung der organisatorischen Formen der Arbeiterklasse bei zunehmender Verelendung gekennzeichnet ist" (170). Durch die Revolution bringt die Arbeiterklasse die Produktionsmittel unter ihre Kontrolle und sichert damit die Eigentumslosigkeit bzw. die Gleichheit der Eigentumslosigkeit (184).


Frage:
Was ist unter der 'Entfunktionalisierung der Kapitalisten' zu verstehen?
Antwort:
Für Marx ist die Umwandlung von kapitalistischem Eigentum in gesellschaftliches Eigentum ein historisch notwendiger Prozeß. Ein erster Schritt in diese Richtung ist die Funktionstrennung von privater Produktion und gesellschaftlicher Kontrolle. Durch Bildung sollen Mitglieder der Arbeiterklasse wichtige Leitungsfunktionen in der Wirtschaft, Verwaltung und im Bildungsbereich übernehmen um die technisch-fachlichen Voraussetzungen für die Machtübernahme der Arbeiterklasse zu schaffen (169/170). "Die sozialistische Revolution bestände demnach aus einem Staatsstreich, der die schon latent vorhandene Reife des sozialistischen Zustandes von seinen letzten Fesseln befreit" (170).

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